Ninis - Die Wiege der Baeume
Verteidigung von Penthe zu unterstützen und wollten Karlema und dem unberechenbaren Varus entgegentreten. Levinie konnte sich sowohl früher als auch in diesem Traum nicht erklären, was Penthe zu ihren Worten getrieben hatte.
„Ich bekenne mich aller Anklagen für schuldig! Karlema hat Recht, dass ich euch verspottet habe. Ich werde mich nie eurem Diktat fügen, denn ich bin keine mehr von euch. Meine Augen haben Dinge gesehen, die ihr niemals verstehen könntet. Ich kenne keine Furcht mehr. Ich habe den Himmel berührt und die Wahrheit über unsere Welt gesehen! Mit meiner Rückkehr wollte ich euch überzeugen, dass es auch andere Wege gibt … aber ich sehe, dass es euch nicht möglich ist, Einsicht zu zeigen.” Der Rat hörte ihr sprachlos zu. „Nana, ich weiß, dass du mich liebst. Du würdest eher mit den beiden Feuerkatzen kämpfen, als mich und Yirmesa zurückzulassen. Es wäre falsch, unser weiteres Leben in eurer Mitte mit einer findigen Vereinbarung unter euch Ratsmitgliedern zu erkaufen.”
Karlema, Jelor und Berlienies raunten.
„Bitte, lasst sie sprechen.” Levinie standen die Tränen in den Augen.
„Ihr sprecht oft über alte Riten und über unsere blutige Vergangenheit. Meint ihr, nur weil damals viele Lamenis jung starben, war dieses Leben schlechter? Wie soll ich ohne Leid erkennen, was Glück ist? Glaubt ihr, dass Lügen ein Leben lebenswert machen? Ich werde mit Yirmesa meinen Weg gehen. Nana, es betrübt mich, dich zu verlassen, aber auf meinem Weg kannst du mich nicht begleiten!”
Levinie konnte sich nicht erinnern, dass jemals jemand derart mit dem Rat gesprochen hatte. „Ich werde aber nicht gehen und meine Mutter mit der Schande meiner Verbannung zurücklassen. Ich werde deshalb über die Feuergrube springen!” Penthe stand auf, um ihren Worten mehr Kraft zu verleihen. Die anderen im Raum erschraken. Penthe schaute zu Berlienies: „Ist es richtig, dass ich das fordern kann?”
„Oh ja, wir wenden diese Gesetze nicht mehr an, aber wir haben sie auch nicht für ungültig erklärt. Ich hätte nie angenommen, dass sie jemand freiwillig für sich in Anspruch nehmen würde.”
„Wenn ich springe ist meine Ehre wieder hergestellt?”
„So lauten die alten Gesetze! Nur hat es bisher niemand überlebt! Bist du bereit, dich dafür zu opfern?”
„Nein! Ich werde nicht sterben! Ihr werdet sehen.”
„Ich hoffe das für dich.”
Karlema blickte sie an: „Penthe, ich möchte dir offen sagen, dass ich nicht verstehe, was du tust. Ich hoffe, dass du dir deiner sicher bist.” Die anderen nickten. „Wir wollen nicht deinen Tod!”
Levinie schaute ihre Tochter immer noch sprachlos an, auch als Traumreisende konnte sie viele Sonnenwenden später dieses Ereignis nicht begreifen.
Levinie schluchzte und stand jetzt neben der Feuergrube. Sie mochte diesen Ort nicht, denn hier wohnte der Tod. Die breite Kluft im massiven Stein des Vulkans war vom Feuer geschwärzt. Einen Sturz in den Krater konnte niemand überleben, aber wie sollte sie Penthe noch von ihrem Vorhaben abbringen?
Am Grund loderte der Boden und ließ das glühende Blut des Berges aus Rissen hervorquellen. Jedes Lebewesen, das es berührte, fing Feuer und verging in den Flammen. Die Hitze und der Gestank waren nahezu unerträglich. Die Feuergrube bedrohte alles in ihrer Nähe - die heißen Dampfschwaden erstickten bereits jegliches Leben, das sich zu nahe heranwagte.
Einige Wächterinnen, mit Tüchern vor den Gesichtern, schoben einen Baumstamm vor, der um einiges über den Abgrund reichte, bis zur anderen Seite fehlte allerdings der größere Teil. Neben Jelor und Levinie waren nur Penthe, mit der kleinen Yirmesa auf dem Arm, und vier Wächterinnen erschienen. Alle standen in gebührender Entfernung zur Feuergrube.
Penthe kam zu Levinie und gab ihr das Kind, Yirmesa schlief zum Glück und bekam nichts mit.
„Ich werde sie gleich wieder nehmen. Lass sie schlafen, Nana.” Levinie nickte, die Furcht in ihr brannte lichterloh. Penthe schaute sie an, ihr Gemütszustand war für ihre Tochter sicherlich nicht schwer zu deuten.
„Du brauchst den Stein mehr als ich. Er nimmt deine Angst und schenkt dir den Mut, in der Dunkelheit zu bestehen”, erklärte sie fürsorglich und gab Levinie diesen daumengroßen Stein, den sie seit ihrer Rückkehr mit einem Lederriemen gebunden als Halskette trug. Damals war Levinie zu keiner Antwort fähig gewesen, sie nahm das Geschenk an und weinte. Penthe drehte sich um und rannte los.
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