Ninis - Die Wiege der Baeume
Der weiße Vogel, der Levinie bereits zur Treueprüfung geführt hatte, flog neben ihr her. Im Sprint hielt sie die Hand über ihre Brust und eine seltsame Lichtquelle erstrahlte. Sie verwandelte sich in eine schwarze Raubkatze, wurde schneller und rannte auf die Feuergrube zu.
Levinie und die anderen schauten damals zu Boden, keiner sah ihren Sprung. Eine Bodeneruption ließ die Erde zittern und eine Dampfsäule aufsteigen. Alle entfernten sich schnell von der Feuergrube, keiner wollte sich den heißen Dämpfen aussetzen – keiner sah sie brennen, aber Penthe kehrte auch nie wieder zurück.
Im Tr aum blickte Levinie genauer hin: Ihre Tochter rannte über den Baumstamm, sie sprang. Die Steine schossen nach oben. Die Dampfsäule folgte unmittelbar und Penthe verschwand im hellen Licht. Levinie blinzelte mit den Augen, aber sie konnte nicht erkennen, ob sie in die Tiefe fiel. Penthe verschwand spurlos. Levinie war sich nach kurzem Zweifel abermals sicher, dass sie den Sprung nicht überlebt hatte, schließlich kehrte ihre Tochter niemals heim.
Die leidvollen Erinnerungen verblassten. Levinie ging durch den Wald, sie wartete, ohne zu wissen worauf, und verarbeitete abermals die Erlebnisse von früher. Sie besann sich ihrer Aufgabe und schüttelte den Kopf, sah aber keine Verbindung zwischen dem Schicksal von Penthe und dem fortwährenden Fieberschlaf von Yirmesa. Levinie fühlte sich haltlos, sie taumelte, mit trübem Blick konnte sie kaum zwischen der Realität, dem Traum und ihrem Gewissen unterscheiden. Sie vergaß und rutschte ins Ungewisse, die Bilder sprangen wirr vor ihren Augen umher und die Bäume lachten sie aus.
Der kleine weiße Vogel flatterte vor ihr her, aber Levinie resignierte. „Flieg weiter … ich mag nicht mehr!”
„Nana, war es so schwer, mir das zu erzählen?”, hörte sie den Vogel mit der Stimme von Yirmesa fragen.
„Bitte? Yirmesa, bist du hier?” Levinie schreckte auf, hatte sie Yiri gefunden?
„Du bist in meinem Traum! In unserem Traum, denn was du mir gezeigt hast, stammte von dir!”
„Yirmesa, du musst aufwachen! Du musst uns sagen, was passiert ist!”
Jegliches Geräusch verschwand. Stille. Der Vogel verschwand vor ihren Augen.
„Yirmesa?” Sie geriet in Panik, der Raum begann sich lautlos zu drehen. Bäume, Erde, Himmel, einfach alles wirbelte durch einen winzigen Punkt am Horizont. Ihr fehlte die Luft zum atmen. Der Strudel riss sie mit. Levinie schrie.
Karlema rüttelte sie wach. „He, du bist wieder bei uns! Schau mal, wen du mitgebracht hast!”
Levinie schaute erschöpft in das lachende Gesicht von Yirmesa und schloss sie in die Arme.
***
Yelvis, der Schwarzwolf
Urtümlich und wild – die Bäume und Büsche im Norden des Jabaritals vermittelten Niavia immer wieder den Eindruck, als blieben sie lieber unter sich, sogar das Licht der Sonne drang kaum bis zum Boden vor. Die vielen kleinen Schluchten und Felsvorsprünge duldeten keine weite Sicht und leider auch kein zügiges Vorankommen.
Der Schwarzwolf bewegte sich lautlos durch das Unterholz, seine Wolfsführerin stand nur dreißig Fuß entfernt. Niavia konnte aus der Entfernung kaum erkennen, wo die beiden gerade waren – aber nur ein leiser Pfiff und sie fanden sich wieder, die Wächterinnen kannten keine treueren Begleiter.
Eine Rudelführerin schaute Niavia an: „Herrin, glaubst du, dass wir hier etwas finden?”
„Wenn ich mich im Wald verstecken würde, dann genau hier!”
„Stellt sich nur die Frage, ob das Vieh genauso denkt?”
„Hast du eine bessere Idee?”
„Nein.”
„Dann suchen wir die Gegend ab.” Niavia hoffte sich nicht zu irren, denn sie hatte keinen besseren Plan. Sie kannte das Vulkantal des Jabari bestens, wobei es ihr sowieso unverständlich war, diesen Jäger noch nicht zu Gesicht bekommen zu haben.
Die Rudelführerin signalisierte ihren Wächterinnen mit einem Fingerzeig, dass die restlichen Schwarzwölfe ausschwärmen sollten. „Seid wachsam! Versucht das Untier nicht alleine zu erlegen. Bleibt immer in Zweiergruppen zusammen!”
Die Wächterinnen verteilten sich und durchsuchten das dichte Unterholz. Gezielt kletterten sie an Steinkanten oder verschlungenen Ästen entlang. Gemeinsam mit ihnen suchte Niavia nach Blut- und Fellspuren, irgendetwas, was sie der Bestie zuordnen konnten. Sie dachte darüber nach, dass sie bei Garmen keine eindeutigen Spuren eines Wildtieres gefunden hatten. Nur die Fußabdrücke von Yirmesa, waren die beiden doch alleine
Weitere Kostenlose Bücher