Ninja-Rache
war dunkel. Die nächste Laterne leuchtete am Ende der Kurve. Ihren Lichtschein konnte ich nur sehen, wenn ich mir fast den Kopf verrenkte. Ich drehte mich wieder um.
Suko sprach mich scharf flüsternd an. »Hast du etwas entdecken können?«
»Ja, der Baum wurde herausgerissen.«
»Dann war er es!«
»Genau.«
»Wer war es, verdammt?« rief Julia. »Ich komme mir langsam wie verarscht vor.«
»Keine Panik, Mädchen«, hörte ich Suko sprechen, als ich mich umdrehte. »Wir packen das schon.«
»Nein, den Baum räumen wir nicht weg, der ist…«
Julia stockte mitten im Satz. Nicht nur sie hatte mitbekommen, wie sich das mächtige Astwerk plötzlich bewegte. Einige Zweige knackten einfach weg, zwei Äste sprangen in die Luft. Und das alles nur, um ihm Platz zu schaffen, dem Tengu!
Suko reagierte am schnellsten. Zudem stand er günstig, packte die angststarre Julia und zerrte sie zurück, während innerhalb des Astwerks ein Körper hochwuchs, der uns Furcht einjagte.
Ein gewaltiger schwarzer Klumpen mit unförmigen menschlichen Umrissen, langen Greifarmen und den rötlichen Augen innerhalb der widerlichen Masse.
Der Tengu stieß ein unbeschreibliches Geräusch aus, als er sich vom Astwerk löste und noch einmal auf dem Baumstamm abgefedert war. So sprang er dem VW entgegen. Shao schoß.
Der Pfeil jagte in den Körper hinein, bevor der Tengu das Dach erwischte. Dann aber krachte es zusammen, als bestünde es aus Pappe. Wir hörten das Knirschen, Streben verbogen sich, Scheiben platzten weg, den Tengu erwischte ein zweiter Pfeil, den er sich mit einer Hand aus dem Körper riß und mit der anderen das Polster der Rückbank auffetzte, als würde er dafür bezahlt.
Er drehte sich, sprang aus dem Wagen und duckte sich vor ihm zusammen. Suko stand mit der Peitsche bereit, ich hielt mich in seinem Rücken auf, doch der Tengu kümmerte sich um keinen von uns. Er interessierte sich nur für den zerstörten VW.
Den riß er an sich. Es war kaum zu glauben, mit welcher Kraft das Monstrum den Wagen einfach in die Höhe hob und so tat, als wäre es ein Spielzeug.
Unter der vorderen, noch nicht verbogenen Stoßstange bekam er ihn zu fassen, kantete ihn senkrecht und stemmte ihn mit dem Heck zu Boden, wobei er das Fahrzeug gleichzeitig als Deckung benutzte. Wenn Shao jetzt schießen wollte, mußte sie erst um den Wagen herumlaufen. Bei Suko war es nicht viel anders. Zudem wollte er in der Nähe der Frau bleiben, um sie schützen zu können.
Nur ich hatte freie Bahn.
Trotzdem verzichtete ich darauf, die Beretta einzusetzen. Erstens hätte es nichts gebracht, über geweihte Silberkugeln konnte ein Tengu nur lachen, und zweitens wäre der Schuß bei dieser Stille sehr weit zu hören gewesen und hätte einige Leute aufgeschreckt.
Also nahm ich den Dolch.
Ks war ein verfluchtes Risiko, gegen einen Tengu zu kämpfen. Wir hatten schon einmal erlebt, wie er ein Fahrzeug mit bloßen Pranken zertrümmerte, aber diesmal war er damit beschäftigt, den Wagen anzuheben, und das kam mir entgegen.
Sein Rücken lag frei!
Wie ein Blitzstrahl fuhr der Dolch durch die pelzige Haut und hinein in den widerlichen Körper. Die Klinge hinterließ auch eine Wunde, aus der allerdings kein Blut tropfte, sondern ein zäher, dunkler, sirupartiger Schleim, derauf dem Fell eine nasse Bahn hinterließ, als hätte eine Zunge darüber hinweggeleckt.
Der Tengu zitterte.
Ich wußte, daß ich ihn nicht getötet, höchstens wütend gemacht hatte, und ein wütender Tengu war noch unberechenbarer als ein normaler. Sicherheitshalber sprang ich wieder zurück, behielt den Dolch aber in der Hand und dachte daran, daß auch mein Kreuz gegen dieses Monstrum nichts ausrichtete.
Der Tengu bäumte sich auf, ohne seine Beute loszulassen. Aus seinem Maul drang ein Geräusch, als würde Wasserdampf hervorzischen. Er war wie von Sinnen, der zerstörte Wagen wurde für ihn zu einer Waffe, mit der er angreifen konnte.
Er drehte sich auf der Stelle!
Den VW hatte er hochgerissen, und er blieb durch die Fliehkraft auch oben. Der Wagen drehte sich mit, wobei sich der Tengu nicht von der Stelle rührte und nur in diese Kreisbewegung hineingeraten war. Dann ließ er den Wagen los.
Und der VW verwandelte sich in ein breites, tödliches Geschoß aus zerbeultem Blech, aufgerissenen Sitzen und verbogener Verschalung. Wo er hinflog, war nicht zu erkennen. Es kam darauf an, wann der Tengu ihn losließ.
Nach einer Drehung schleuderte er den Wagen weg.
Ich lag längst flach,
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