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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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herauskommandiert.«
    Da endlich öffneten sich die Türen, die Verbannten kamen heraus, rannten an dem langen Zaun entlang und riefen die Namen ihrer Frauen.
    Borja Stepanowitsch entdeckte Ninotschka sofort. Er schaffte es, seinen Arm durch eines der Drahtgitter zu stecken, nachdem er es auseinandergebogen hatte. Von der anderen Seite streckten sich ihm Ninotschkas Finger entgegen, und für einen winzigen Augenblick berührten sich ihre Fingerspitzen. Es war wie ein sanfter Hauch und doch eine der köstlichsten Zärtlichkeiten nach diesen Wochen des Wartens und der Ungewißheit, eine Zärtlichkeit, die sie vor Glück stumm machte.
    »Wie schön du bist«, sagte Borja Tugai endlich. Er blickte Ninotschka an, als sei sie aus einer anderen Welt zu ihm gekommen. »Ich habe nie gewußt, daß man einen Engel lieben kann.«
    Ninotschka drückte ihr Gesicht gegen das Gitter. Der Herbstwind spielte in ihrem langen schwarzen Haar. »Wie blaß du geworden bist, Borjuschka«, flüsterte sie und besaß die Kraft, ihre Tränen zurückzuhalten. »Werdet ihr nie an die Luft geführt?«
    »Jeden Tag eine Stunde. Aber wir vermissen die Sonne nicht sehr. Wir werden in den heißen sibirischen Sommern genug von ihr bekommen.«
    Dann schwiegen sie wieder, sahen sich nur an, und ihre Hände versuchten noch einmal, die wenigen Zentimeter zu überwinden, die sie trennten, und sie hörten nicht das Schluchzen um sich her, das Rufen, das Gestammel der anderen – diese Fülle von aufgestauter Sehnsucht, die sich jetzt entlud.
    »Ist es wahr?« fragte Borja nach einer Weile, in denen er das zauberhafte Bild Ninotschkas in sich aufnahm, in sein Herz grub, um mit der Erinnerung daran später in der Einsamkeit der Taiga zu leben. »Ist es wahr, daß die Fürstin Trubetzkoi mit in die Verbannung gehen darf?«
    »Ja, Borjuschka. Viele Frauen haben das beantragt. Ich auch, mein Liebster.«
    »Um Gottes Barmherzigkeit willen, nein!« Tugai drückte das Gesicht gegen das Gitter. »Ninotschka, du sollst leben, aber nicht lebendig begraben werden!«
    »Ich gehöre zu dir, Borja!«
    »Nur, solange ich noch ein Mensch war. Das ist vorbei, Ninotschka. Morgen oder übermorgen, wenn der Zar es befiehlt, bin ich eine ›tote Seele‹.« Tugai schloß die Augen. Seine Stimme schwankte. »Laß uns Abschied nehmen … heute. Versuch, mich zu vergessen. Rede dir ein, es habe mich nie gegeben … Ninotschka, komm nicht wieder. Du gehörst dem Leben …«
    Sie sah ihn an. »Laß uns heiraten, Borjuschka. Ich will deinen Namen tragen.«
    »Einen verfluchten Namen! Sie werden vor dir ausspucken, wenn du ihn nennst! Die Türen werden sie vor deiner Nase zuschlagen!«
    »Ich werde ihn trotzdem stolzer tragen als ein Großfürst den seinigen.« Sie warf sich gegen das Gitter, und das Gewicht ihres Körpers dehnte den Drahtzaun etwas aus, so daß sich für den Bruchteil einer Sekunde wieder ihre Fingerspitzen berührten. Dann federte Ninotschkas Körper wieder zurück, und gleich darauf kam ein Wachsoldat den Gang entlang und trennte sie.
    Aber diese kurze Berührung hatte genügt. Wie ein Blitz war es in beide hineingezuckt, das Gefühl, den anderen gespürt zu haben, zu ihm zu gehören, gleichgültig, was geschah.
    An der Mauer des Gefängnisses hob der Hornist sein Instrument und blies ein schmetterndes Signal. Einige Offiziere erschienen in den Türen und hinter den Frauen. Man sah ihnen an, wie unangenehm ihnen der Dienst war, zu dem man sie abkommandiert hatte. Sie sollten höflich, aber streng sein. Wie war das möglich, wenn man eine Fürstin Trubetzkoi zwingen mußte, sich von ihrem Mann zu trennen …
    »Ende des Besuches!« schrie eine Stimme. Sie gehörte einem jungen Fähnrich.
    »Ninotschka«, stammelte Borja. Und dann schrie er: »Ninotschka! Leb wohl! Gott segne dich! Wir sehen uns nicht mehr wieder! Vergiß mich! Verzeih mir alle Tränen, die du um mich geweint hast … Verfluche mich! Sag es, sag es: Ich verfluche dich … Der Weg nach Sibirien ist dann leichter!«
    »Ich liebe dich!« rief sie hell. Ein Soldat zerrte sie am Ärmel vom Gitter weg. »Borjuschka, ich liebe dich, solange ich atmen kann! Borja …«
    Der Soldat faßte sie brutal am Kragen ihres Mantels und schleuderte sie in die Gruppe der anderen Frauen.
    »Du Hund!« schrie Borja und rüttelte hilflos am Gitter. »Du gemeiner Hund! Laß sie los! Laß sie los!« Er blieb an den Drahtzaun gepreßt stehen, bis die Frauen den Hof verlassen hatten. Dann trat Fürst Trubetzkoi zu ihm.
    »Kommen

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