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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mein Täubchen«, erwiderte der Soldat. »Micha zu beleidigen, wo er schon tot ist. Das kannst du mit Geld nicht wiedergutmachen!«
    Er trat nahe an Ninotschka heran und blickte über ihre Schulter in den Raum. Sein Atem wehte ihr in den Nacken. »Später wird man sich erzählen, das schwarze Schwänchen habe den Soldaten Jefim einfach überfallen wollen. Aber der Jefim war stärker, und so gab es einen kleinen Kampf.«
    »Da sitzt er!« Ninotschka umklammerte den Holzladen und starrte auf Borja, der sich gerade zu ihr umdrehte, aber sie natürlich nicht sehen konnte. Ein anderer Verbannter reichte ihm gerade ein Kartenspiel. Borja mischte und teilte die Karten aus. Neben ihm lag General Murawjeff auf der Erde. Bei der letzten Poststation hatte ein Reisender ihn gesehen und erkannt, und ihm aus seinem Gepäck einen modernen hellblauen Frack mit Goldknöpfen und dunkelblauen Seidenrevers schicken lassen. Oberst Globonow hatte erlaubt, daß Murawjeff ihn statt seiner Sträflingskleider trug. Und der hatte gesagt: »Ich werde ihn erst wieder ausziehen, wenn er mir vom Leib fällt. Ich nehme an, daß dann der Leib auch nicht mehr viel wert ist …«
    »Da sitzt er«, wiederholte Ninotschka glücklich. »Mein Borja! Sieh ihn dir an, Jefim! Steck ihm manchmal etwas zu essen zu … Ich gebe dir hundert Rubel, damit du ihm etwas kaufen kannst. O Borjuschka, mein Liebling …«
    Sie blickte Tugai an und merkte nicht, wie der Soldat ganz nahe an sie herankam. Erst als er sie vom Fenster wegzog und ihren Nacken küßte, begriff sie, daß dem Soldaten in diesem Augenblick eine Frau wichtiger war als hundert Rubel. Sie wehrte sich, versuchte, seinem groben Griff zu entkommen, und trat nach ihm.
    Jefim lachte nur. »Warum stellst du dich so an? Warum schreist du nicht? Aber das wagst du ja nicht! Man darf dich hier nicht finden, sonst schickt man dich unter Bewachung zurück! Wie es sich wehrt, das kleine Teufelchen! Beißen willst du mich? Komm nur mit, nebenan im Stall ist ein Ballen Stroh, der ist fast so weich wie deine Seidenbetten daheim.«
    Er umfaßte Ninotschka, drückte ihr fast die Luft ab, als er sie hochhob, und so trug er sie die paar Meter bis zu dem kleinen Stall. Aber er erreichte die Tür nicht mehr. Plötzlich tauchte neben ihm ein großer Schatten auf, eine schwere Hand legte sich auf Jefims Schulter, und eine tiefe Stimme sagte: »Eine Maus wird nie ein Elefant. Das mußt du begreifen, Brüderchen.«
    Jefim ließ Ninotschka los. Sie fiel auf die Knie, verlor das Gleichgewicht und rollte in den Schnee. Wie gelähmt starrte Jefim den riesigen Miron Fedorowitsch an. Er wollte zurückweichen, aber da hatte Miron ihn schon gepackt. Es gab ein kurzes Handgemenge, dann legten sich Mirons breite Hände um Jefims Hals …
    Wenig später verschwand der Kutscher hinter der Poststation. Er hatte sich den toten Soldaten wie eine Puppe über die Schulter geworfen und begrub ihn in einem Schneehaufen. Vor dem Frühjahr, wenn die Schneeschmelze einsetzte, würde niemand den toten Jefim finden, der seine schmutzigen Hände nach Ninotschka ausgestreckt hatte.
    Ninotschka wartete auf der Veranda vor der Poststation. Sie zitterte am ganzen Körper, als Miron zurückkam. »Was hast du getan?« stammelte sie. »Er ist tot, nicht wahr?«
    »Ungeziefer muß man vernichten«, sagte Miron dunkel. »Gehen Sie hinein zu den anderen, Hochwohlgeboren. Es ist nichts geschehen, gar nichts … Sie haben nur einmal die frische, klare Schneeluft geatmet. Gute Nacht, Ninotschka Pawlowna.«
    Sie nickte stumm, wandte sich ab und ging ins Haus zurück.

VIII
    Am frühen Morgen kamen vier große Schlitten aus Perm und hielten in Nowa Scharja . Niemand außer dem Postmeister Aljoscha und Oberst Globonow war drinnen noch wach. Draußen loderten die Feuer der Kosaken, und die Wachen marschierten auf und ab.
    Globonow klopfte seine Pfeife aus und trat auf die Veranda. Er zeigte auf die Schlitten. Ein paar in Pelze vermummte Gestalten kletterten heraus und klopften sich den Schnee von den Mänteln.
    »Sind sie das?«
    Aljoscha machte eine tiefe Verbeugung. »Jawohl, Herr Oberst, das sind sie. Pünktlich wie befohlen.«
    Globonow murmelte einen Fluch und ging hinüber zu den Schlitten. Die Ankömmlinge rissen ihre Pelzmützen ab und drückten sie gegen die Brust.
    »Habt ihr auch genug mitgebracht?« fragte Globonow hart.
    Einer der Männer nickte. »Genug, Euer Gnaden. Wir haben immer einen Vorrat davon. Perm ist das Tor zum Ural … da werden wir oft

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