Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
Vom Netzwerk:
verlassen zu müssen. Kudai und Keiler stürzten, genau wie Iakander es getan hatte, ebenfalls auf den Kyprophraigen ein, um ihn mit ihren Speeren zu durchbohren.
    Aurics Blick zur Seite, mitten im Lauf zur sicheren Deckung hin, traf sich mit dem des Kyprophraigen. Er blickte in ein weit auseinander stehendes Augenpaar, von dem ihn mehr trennte als nur die bloße Entfernung des Raums, welche die Blitze des Kyprophraigen überwinden mussten, um ihn zu Asche zu verbrennen. Sie trennte auch ein Abgrund unendlicher Fremdartigkeit, unauslotbarer Gemütsbewegungen eines bizarren, wie versteinerten, nichtmenschlichen Geistes. Nur eines lag darin, was Auric in diesem Sekundenbruchteil erkannte: rasender Hass auf die Kreatur, die in sein Fleisch geschnitten hatte, gepaart mit blankem Vernichtungswillen.
    Die Spinnenglieder der Hand des Kyprophraigen tanzten in der Luft, griffen ihre Säume, nahmen komplizierte, verschichtete Faltungen vor, spreizten den Stoff der Realität so weit auf, dass er bis hin zu Welten klaffte, in deren Todeskampf titanische Kräfte wüteten, die er mit diesen langen Fingern und den um sie gegriffenen Faltungen fing wie ein Fischer in einem Netz, sie sammelte, formte und ballte, um sie dann, zu tödlichen Geschossen geschmiedet, in unsere Welt zu schicken.
    Auric rannte und versuchte alle Kraft, die er aufbieten konnte, in die Muskeln seiner Beine zu lenken.
    Sein Geist von rohen Wogen des Hasses überschwemmt, schickte der Kyprophraig die in seinen Gliederspitzen gesammelte Energie auf seinen Feind los.
    Der Blitz fächerte durch den Raum.
    Und erwischte donnernd einen der drei Keile, die in regelmäßigen Abständen den Rand der Steinplatte durchbohrten.
    Ein Teil des Stein- und Metallkeils zerbarst in einer Lichtexplosion, die in ringförmigen Wellen die Eingangshalle überschwemmte. Der Überrest der Stele schoss von unglaublicher Wucht getrieben senkrecht in die Höhe und bohrte sich mit splitterndem Krachen in den Stein der hohen Deckenkonstruktion.
    Auric erreichte den Schatten der Deckung und rollte sich zwischen den Pfeilerreihen ab, kam auf die Seite zu liegen und spürte, wie der Boden unter ihm bebte.
    Ein Grollen ging durch das ganze Bauwerk, ein Rumoren wie bei einem Erdbeben. Von dort, wo der Keil wie ein Geschoss die Deckenplatten getroffen hatte, bröckelte ein Regen von Staub, Splittern, kleineren Trümmerbrocken herab. Sie prasselten auf die Steinplatte und den Boden ringsum. Die Luft war von Staub erfüllt, durch den das Licht von den Deckenschlitzen her noch schärfere, grau durchsiebte Schäfte hineinschnitt.
    Auric spürte das Beben des Steins, das Erzittern des Bauwerks, sah den Trümmerregen herabfallen, aber – unendlich aufwühlender – tief in seinem Mark fühlte er noch etwas anderes. Ein Vibrieren und Grollen ungleicher Art. Etwas, dem er bereits begegnet war. Hoch oben im Norden. Und jetzt erneut hier – beim Aufstieg auf der von Menhiren gerahmten Treppe. Dem gewundenen Schacht, dem Kanal, der eine wispernde Kraft auffing und bündelte. Die wie ein schwerer, mahlender Druck in seinem Schädel wiederhallte.
    Es hatte einen Ruck gegeben, so fühlte er, der durch die Welt gegangen war, und daraufhin war mit einem harten Stoß ein Teil dieser Kraft frei geworden.
    Zwischen den Pfeilern hindurch sah er den Schein von Licht. Nicht das grelle Aufflackern der Blitze des Kyprophraigen. Nicht die harten Bahnen von den hohen Lichtschächten her. Licht in einem steten Strömen.
    Er spähte um die Ecke eines Pfeilers und sah, dass an den beiden unversehrten Keilen, eine Helligkeit in Bahnen ausströmte, die weder Licht noch Nebel war, zwar von der Erscheinung zwischen beidem, aber von der Qualität her spürbar etwas substantiell anderes. Sie entwich den Ritzen, wo die Basis der Keile in die zentrale Steinplatte getrieben war.
    Er sah aber auch den Kyprophraigen wie erstarrt in all dem stehen, wie eine steinerne Statue, die Ausgeburt der grotesken Phantasie eines exzentrischen Bildhauers. Die plötzlich wieder aus ihrer Starre erwachte. Zu langsam jedoch, um Kudais Speer zu entgehen, der zwar sein anvisiertes Ziel, die Brust des Kyprophraigen verfehlte, sich aber stattdessen in die Seite der Kreatur bohrte. Keiler war mit zum Stoß erhobenem Speer knapp hinter ihm.
    Keiler wurde gepackt, zerbissen und wie eine zerbrochene Puppe zur Seite gefegt. Kudai, dem Schwung seines Speerstoßes folgend, tauchte an dem Kyprophraigen vorbei, und rannte in Richtung einer neuen Deckung weiter.

Weitere Kostenlose Bücher