Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
seine Schulter. Auric sprang durch die Trümmerwolke, schlitterte nur noch unkontrolliert über den Boden und knallte hart gegen eine Wand. Er war blind von Staub und vom Blut, das ihm in die Augen lief.
Stöhnend rappelte er sich hoch. Seine Schulter schmerzte, die Schürfungen an Armen und Beinen taten höllisch weh: Er lebte also noch. Ein Teil seines Schulterschutzes schwelte vor sich hin. Der Pfeiler vor ihm war nur noch ein rauchender Stumpf. Jedes kleine Haar seines Körpers, all seine Haut knisterte von der Entladung einer gewaltigen Kraft, der er knapp entgangen war. Er wischte sich das Blut aus den Augen, sah durch Staubwolken hindurch den grotesken, überschlanken Umriss des Kyprophraigen nur wenige Meter entfernt von ihm aufragen, ein Arm stocherte ausgreifend durch die Luft, wie ein vom Rest des Körpers unabhängiges Wesen. Verirrtes Blitzgeäder knisterte umher. Der Kyprophraig drehte sich auf seine befremdlich rotierende Weise um seine Achse, von ihm weg, wandte ihm nun die Flanke zu. Aurics Blick folgte der Richtung seiner Aufmerksamkeit. Und erschrak.
Jag hatte sich inzwischen darauf verlegt, den Keil mit Tritten zu traktieren. Immer noch erfolglos. Nicht mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln, dachte Auric, und eine Welle tauber Kälte ging durch ihn hindurch. Reine Körperkraft erreichte da gar nichts. Der Kyprophraig hatte seinen Blick und seinen blitzeschleudernden Arm geradewegs auf Jag gerichtet, der so verbissen in seine Anstrengung vertieft war, dass er die Gefahr nicht bemerkte.
Direkt gegenüber von Jag befand sich die dritte keilartige Stele. In Reichweite des Kyprophraigen. Genau wie Umanákhu, der aus seiner Deckung Richtung Steinplatte rannte. Von Kudai war nichts zu sehen.
Die Hand des Kyprophraigen hörte auf, ziellos durch die Luft zu greifen und verharrte, während ihre Finger sich knackend spreizten. Sie zielte präzise in Richtung von Jag, der fluchend weiter auf den hartnäckig unbeweglichen Keil eintrat. Durch sich faltende Luft hindurch kam die Ahnung eines flackernden Brodelns mit eisigem Hauch näher an unsere Welt heran. Kaltes Blitzeknistern umkräuselte die fächelnden Fingerspitzen des Kyprophraigen. Mit Wucht schoss ein Rammschlag verdichteter Macht in ihr Netz. Jag fluchte und trat. Eine Bestie aus verdichtetem Licht und elementarer Gewalt kämpfte fauchend gegen ihre Fesseln an, die Spinnenfinger des Kyprophraigen wiesen ihr die Richtung. Und öffneten das Tor.
Jetzt! Auric sprang.
Er prallte gegen den Kyprophraigen und packte dessen ausgestreckten Spinnenarm, schlang seinen anderen Arm um den riedschlanken Torso herum, erwischte dabei aber nur einen der Greifarme mit seinem Griff, der andere Greifarm stocherte wild und fieberhaft nach dem Feind in seinem Rücken. Auric hatte das Gefühl eine riesige geölte, fette Kröte in seinem Griff zu haben, seine Hand riss den gestreckten Arm des Kyprophraigen in der Bewegung herum, in die andere Richtung hin, und ein Hammerschlag der Taubheit fuhr ihm durch die Hand, den Arm entlang bis in die Schulter.
Der entfesselte Wucht des Blitzes bohrte sich in die Keilstele Jag gegenüber.
„Jetzt, Jag! Tritt zu!“, brüllte Auric.
Ein Ruck ging durch die Welt.
Die Hände auf den Rand der Steinplatte aufgestützt, holte Jag Schwung und trat mit brutaler Gewalt zu. Traf den Keil mit dem Fuß – sein Fuß schoss darüber hinaus –, flog, ohne den erwarteten Widerstand, von der Kraft seines Trittes getragen durch die Luft und landete schwer und schlitternd drei Meter weiter ächzend auf dem Steinboden. Sein Fuß hatte den Keil kaum berührt.
Der Kyprophraig brüllte. Auric hielt ihn eisern umklammert, und sein ganzer Leib, sein Fleisch, seine Knochen, dröhnten mit wie ein einziger Resonanzkörper, dass es schien, sie würden von der Vibration des ohrenbetäubenden Brüllens morsch zerrieben und zu Pulver zerfallen. Die Berührung seines Fleisches hinterließ ein ekles Gefühl auf Aurics Haut. Doch er ließ seinen Griff um den Kyprophraigen nicht erlahmen.
Eine Lichtexplosion blendete Auric. Zwei Lichtexplosionen. Wellen gleißenden Lichts brandeten durch den Raum, drängten selbst in die tiefste Nische. Für einen Sekundenbruchteil war Auric in einer weißen, pulsierenden Welt. Er ließ den Kyprophraigen los und taumelte zurück.
Durch Sterne, grelle Farbblasen, die vor seinen Augen tanzten, sah Auric seitlich von sich Umanákhu auftauchen, den Speer erhoben, zustoßen. Der Speer durchbohrte den
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