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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Füße, als er um die weite Rundung des Felsens hinabschritt. Sah auf, weil irgendetwas am Licht sich änderte. Ein dunkler Umriss gegen das Licht schob sich um die Felssäule herum. Eine schwarze kinphaurische Rüstung. Sie kam ihm um die Säule herum direkt und nah entgegen. Keinen Meter von sich entfernt blickte Auric in ein Augenpaar hinter den Visierschlitzen eines Kinphaurenhelms, das auf gleicher Höhe mit ihm war, obwohl sein Gegenüber hangabwärts stand. Der Mann musste ein Riese sein.
    Sein Hand zuckte zum Griff seines Schwertes. Weitere Gestalten kamen um die Felsrundung herum. Viele davon. Mehr als sie. Mehr als doppelt so viele. Als wären sie plötzlich aus dem Hang hervorgewachsen. Rasch waren sie von ihnen umringt, standen sie in einem dichten Säulenkreis dunkler Rüstungen. Ein kurzer Seitenblick zeigte Auric, dass auch die anderen seines Trupps die Hand am Schwertknauf hatten, doch noch hatte keiner die Klinge blankgezogen. Im Angesicht der Übermacht warteten sie auf seinen direkten Befehl.
    Die dunkel gepanzerten Gestalten schlossen den Kreis und der Riese in schwarzer Rüstung trat auf Auric zu.

Bruchkanten

    Darachel war mit seinem Vater auf einer Reise nach Vharun-dan-Mhe‘e, der unterirdischen Feste ihrer Brüder gewesen, um Transienzverwandte seines Vaters aus einer Aspirationszwölfschaft verharrender Linie zu besuchen. Als sie die nördlichen Grenzen ihrer Domäne erreichten, hatte sein Vater ihn darauf aufmerksam gemacht, sie kämen jetzt dem Wirkungsfeld der Menschen nahe und ihm als Anzeichen dafür einen gefällten Baum gewiesen.
    Das Orange der Bruchkante hatte wie eine offene Wunde vor der Wand von Tannendunkel geschwärt, und als er herangegangen war, um sich den Stumpf anzuschauen, war davon ein intensiver dampfender Geruch von Holz aufgestiegen. Das Holz der Schnittkante hatte tatsächlich auch von nahem fast die Farbe einer Dotter, frisch gefällt und noch blutend vor Harz wie der Baum war, doch in der Struktur grob und rau. Er war mit dem Gesicht ganz nah herangegangen, um den Geruch aufzufangen und weil ihn die scharfen, splitterigen Ausgestaltungen faszinierten. In zwei Ebenen verlief die Sägekante, eine tiefer, eine höher, und wo sie sich trafen, war das Holz in bizarren Formen weggebrochen und lange, rohe Bündel von Splittern staken weit aus der Verwüstung des Bruchs heraus.
    Ganz nahe hatte er sich herübergebeugt, ganz nahe ging er mit seinen Augen an die Miniaturlandschaft heran, so dass ihm die Späne riesenhaft erschienen, wie wirre Bündel von Speeren, doch seine Vorstellungskraft, vom Moment der Annäherung getragen, flog ihr noch weiter entgegen. In seinem Phantasieflug glitt er zwischen den Spanspeeren hindurch, direkt hinein in die Kluft zwischen vorstehend herausgebrochenen Splittern und der oberen Bruchkante, wie ein Vogel in slalomartigen Kurven und engen Kehren durch das Labyrinth holzwüchsiger Stalagmiten und stacheliger Türme hindurch. Er ging ganz im Gedankenflug durch diese mikroskopische Welt auf.  
    Mit einem Mal dann, sein Geist satt von den aufgesaugten Eindrücken, die sich vor seinem inneren Auge lebhaft zu sich verwebenden, kraftvollen Bildern verdichteten, hatte er sein Gesicht dem Vater zugewandt und gesagt: „Wie Himmelsriff.“
    Und sein Vater hatte gelächelt und einfach nur begriffen. Er hatte ihm nicht – wie es die meisten anderen Ninraé getan hätten – einen Vortrag darüber gehalten, wie wenig dieser Vergleich tauge, da er es versäume, die Unvereinbarkeit der verschiedenen Kategorien von Reichen und Kräften der komplexen Naturlehre einzubeziehen. Er hatte nicht doziert über die Unterschiede aufsteigenden mheés gegenüber klassifizierendem dh‘shun-kranh-sanwhe , der Gesteins- und Kristallbildungskräften djuán-hwe gegenüber den Gestaltbildungskräften dujaun-h‘we eines dem vianwhe -Reich zugehörigen Wesensgebildes.  
    Dafür war Darachel seinem Vater dankbar gewesen.
    Er konnte noch immer das Lächeln auf dem Gesicht seines Vaters an jenem Tag vor sich sehen. Das war Jahre vor seinem Fortgang gewesen.  
    Darachel riss sich aus seinen Erinnerungen heraus und blickte hinab zu dem Ausblick, der sich zu seinen Füßen bot. Ein kräftiger, scharfer Wind blies ihm ins Gesicht, biss auf seiner Haut und klärte seine Gedanken. Der trockene Eishauch nahenden Schnees.
    Er stand an der Kante eines Felsensturzes, dem äußersten Rand der Landbruchklippe und blickte hinab auf die zu ihm emporragenden Türme und Bastionen von

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