Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
Er trat noch näher heran, um dem Kinphauren besser bei seiner Tätigkeit zusehen zu können.
„Der Wächter ist zunächst nichts als ein gestaltetes Objekt. Ein mit Macht geladenes gestaltetes Objekt“, sagte Ikun. Auric sah, dass auf der Plattform eine Art schwarzer Steinwürfel lag, den der Kinphaure mit beiden flachen Händen an den Seiten umfasste, worauf der Würfel, nein, nicht anfing zu glühen – er schien einfach nur eine Spur heller zu werden. „Dieses Objekt erlangt seine Kraft erst dadurch, dass es mit einem der Großen Geister, einem Mahrgeist verbunden wird. So habe ich es aus dem verstanden, was die Agenten aus dem Alten Mondland bereit waren, uns zu erklären. Die Macht des Objektes fischt hinein in den gewaltigen Ozean in dem diese Großen Geister schwimmen. Man weiß nicht immer, was man dabei heraufholt. Aber wenn man einen Kontakt herstellt, wird durch die Macht des Objekts ein Anker zu der Wesenheit geschaffen. Und diese Verbindung zwischen dem Objekt und dem Geist, der dahinter wirkend lauert, kann man unterbrechen. So wird der Tunnel dann passierbar.“
„Aber es bleibt doch eine Restpräsenz zurück. Das Passieren des Tunnels wird dadurch doch nicht gerade zu einem angenehmen, einladenden Erlebnis. Ist es auch deshalb, dass der Gang so selten benutzt wird?“
Der Kinphaure unterbrach seine Tätigkeit und drehte sich langsam um, blickte Auric zuerst verwundert, dann prüfend ins Gesicht. Auric zeigte ihm nichts, keine Miene außer dem alten Steingesicht mit den Augen seines Vaters darin. Sollte Ikun sich doch wundern, woher er seine Kenntnisse hatte.
„Ja, so ist es“, antwortete Ikun schlicht, sich wieder dem Würfel zuwendend. „Aber reden können wir später; jetzt muss ich mich auf meine Arbeit konzentrieren.“
Schon während sie gesprochen hatten, waren zwischen dem schwarzen Steinwürfel und Ikun wie mit Licht gemalte flache Symbole in der Luft erschienen, jeweils eine Reihe davon, von denen alle bis auf eines verblassten, um dann durch eine neue Reihe leuchtender Zeichen ersetzt zu werden. Ikun war jetzt ganz auf diese Lichtzeichen konzentriert.
„Zauberei“, hörte er Jenric hinter sich aufstöhnen.
„Es ist etwas, das von uns niemand kann“, sagte Auric. „Wenn man so was Zauberei nennt, dann ist es das wohl.“
„Ich hab‘ mich sowieso schon die ganze Zeit gefragt“, fuhr Jenric fort, „wenn die Spitzohren ihre Feuergeschütze auf uns abschießen, warum setzen wir dann eigentlich keine Magierkader gegen sie ein? Wär‘ doch nur gerecht.“
„Weil Menschen nun mal nicht zaubern können, Holzkopf“, wies Czand ihn zurecht. „Zauberei gibt‘s nicht. Zauberei ist nur ein Wort für etwas, was Elfen manchmal können und was wir nicht verstehen. Elfen und das ganze Nichtmenschengesindel. Aber wenn es irgendetwas gibt, das Menschen ganz bestimmt nicht können, dann ist das Zaubern. Also: Elfen vielleicht. Mal davon ausgegangen, wir nennen es tatsächlich Zauberei. – Menschen: keine Chance, absolut null.“
„Aber bei uns im Dorf gab es eine Frau, die konnte denen, die ihr übel gesonnen waren, den Blitz auf den Hof herabschicken und ihr Vieh verhexen und…“
„Jaja, und sie hatte den bösen Blick und eine Katze, die Gedanken lesen konnte und ihr Geheimnisse ins Ohr flüsterte. Wann lernt ihr naugarischen Hinterwäldler eigentlich, euch von diesem bescheuerten Aberglauben zu verabschieden und die Welt mit dem Blick der Vernunft zu sehen?“
Auric wunderte sich: Czands aufgeklärte Einstellung war typisch für die gebildeten idirischen Schichten, aber bei jemandem aus dem Soldatenstand und dem einfachen Volk eher selten anzutreffen.
„He, und was ist mit den Senphoren? Von wegen Menschen können nicht zaubern.“
„Senphoren können Botschaften über Entfernungen übermitteln; das ist es, was sie können, aber sonst nichts. Sie sind keine Zauberer, sie sind … na, eben Senphoren. Sie haben eine Fähigkeit, die nur selten jemand hat und …“
„Etwas, das niemand von uns kann“, meinte Jenric triumphierend. „Dann ist es also doch Zauberei. Nicht, Korporal Auric, das hast du doch eben so gesagt?“
Es wurde mit einem Mal stockdunkel in der Kammer. Der geisterhafte Schein von draußen her erlosch.
Überraschtes, verunsichertes Murmeln um ihn her.
„He Spitzohr, wenn das …“, fauchte Natter Ikun an.
„Ich habe den Wächter außer Kraft gesetzt. Das war es doch, was ihr wolltet.“
„Wo ist der Würfel, der den Wächter
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