Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
seiner festen Flamme rächen. Er musste zugeben, dass man tatsächlich auf diesen Gedanken kommen konnte, wenn man seine und Czands ruppige, vertraute Art miteinander umzugehen wahrnahm. Aber Czand hatte genau gewusst, was er vorhatte und hatte auch durchschaut was vorging. Sie war also nicht gerade hilfreich gewesen.
„Hast du eine Vermutung, wohin sie Jag und Keiler Drei geschickt haben?“
„Keine Ahnung. Irgendwo wo‘s brennt. Nur bekommt man an dieser idyllischen Küste kaum noch Nachrichten darüber mit, wo zur Zeit was abgeht oder wohin Abteilungen der Sechzehnten geschickt werden.“
„Irgendwo wo‘s brennt, das war, wo Jag hinwollte. Ich habe den Verdacht, die haben ihn nicht nur als verhaltensunauffällig eingestuft, der hat sich freiwillig gemeldet, weil es ihm hier zu langweilig wurde.“
„Muss wohl. Jag und nicht verhaltensauffällig? Hallo?“
Sie lachten gemeinsam und ließen den Krug umgehen.
„Er und Keiler Drei. Ein heißes Team. Der Lange und sein nörgelnder Schatten. Die beiden sollten eigentlich hier bei uns sein.“
„Es gibt einige, die sollten eigentlich hier bei uns sein.“ Und indem er es aussprach, bemerkte er seinen Fehler, spürte er, wie seine Stimmung ins Düstere umkippte. Aber er konnte nichts daran tun. Er konnte nie etwas daran tun.
Die Erinnerungen bohrten sich durch den Nebel des Alkohols. Er sah Einzelbilder der Schlacht auf den Vorbollwerken von Jhipan-Naraúk an sich vorbeirattern, und hatte das Gefühl er könnte einzelne herausgreifen wie Spielkarten aus dem ausgebreiteten Fächer einer Hand. Und er wunderte sich über sich selbst, wie er so hart und herzlos geworden sein konnte, die ungeheuerlichsten Ereignisse einfach nur so trocken zu registrieren.
„Du siehst einfach nur: Natter sackt weg.“ Der warme Dunst des Alkohols hatte seine Gedanken erfasst und ließ sie, wo er sie sonst für sich behalten hätte, über seine Zunge hinaustreiben. „Ein Armbrustbolzen hat ihn erwischt. Du registrierst das; mehr nicht. Wie geht das?“
Czand schwieg. Zumindest schien sie sich nicht an dem zu stören, was er da brabbelte.
„Oder du analysierst einfach, wie ein Gefecht mit Schilden abläuft, ganz intellektuell, als wäre das alles abgetrennt von der furchtbaren Wirklichkeit die dahintersteckt, dass es nämlich nur darum geht, Leute zu töten und zu zerhacken.“
„Eben weil du so etwas kannst, hast du das mit uns durchgezogen. Und weil du das kannst, hast du den ganzen elenden überlebenden Rest der versprengten Truppen aus diesem Becken rausgeführt und sie gerettet.“
„Scheiße, ist das eine Eigenschaft, auf der man ein Leben aufbauen kann? Dass man ein abgewrackter Psycho ist, dessen Persönlichkeitsprofil zufällig für eine ganz spezielle Art von Aufgaben zu gebrauchen ist.“ Sie packten einen immer, dachte er. Du hättest zu jeder dieser Aufgaben Nein sagen können. Irgendwo packten sie dich immer. „Nein, ich bin draußen, sobald mein Kontrakt abgelaufen ist. Ich wär‘ früher draußen, aber dann verfällt ein großer Teil des Geldes. An dem Tag, an dem er abgelaufen ist, glaub mir.“
Sie ließ ihn in Ruhe, versuchte ihn gar nicht mit Worten zu beruhigen, sondern ließ ihn die Welle seiner Aufgebrachtheit zu Ende reiten, lehnte sich nur von der Seite an ihn, so dass ihr und sein Hinterkopf sich im rechten Winkel berührten. Der Alkohol pulste warm und weich durch seinen Körper, und tatsächlich spürte er, wie das Gefühl ihrer Nähe und ihres vertrauten, warmen Soldatenkörpers ihn durchflutete und dabei Beruhigung und Trost brachte.
„Ich kann mich nicht beklagen“, sagte sie nach einer Weile seines Schweigens. „Ich habe mir dieses Leben ausgesucht.“
Er drehte den Kopf, um sie anzublicken. Ihm fiel auf, dass er außer dem, was sie zusammen erlebt hatten, nichts über sie wusste. Er konnte ihre Mimik nicht lesen, sie war dafür zu nah, Wange an Wange mit ihm.
„Du hast nie erzählt, wo du herkommst. Was war das für ein Leben, das du vorher geführt hast?“
„Ich will auch wirklich nicht darüber reden. Es war ein ziemlich furchtbares Leben – für mich jedenfalls; das muss ich keinem in voller epischer Breite unter die Nase reiben. Sagen wir einfach, ich komme aus dem Nordosten und bin aus der Umgebung, in der ich aufgewachsen bin, geflohen, sobald jemand eine Göre, die mit Waffen umgehen konnte, ernst genommen hat.“
„Du bist nicht aus einfachen Verhältnissen. Die Art, wie du dich manchmal ausdrückst. Oder
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