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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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den Weihedienst!“
    Kaustagg gab ihnen mit herabsausender Faust ein Zeichen, und sie brüllten im Chor.
    „Hey, hey, hey, hey!!!“ Der aufpeitschende Rhythmus ihrer fanatischen Schreie dröhnte in Aurics Ohren.
    Quälend langsam hob Virri das Messer zur Kehle des Gefangenen, der wieder panikerfüllt anfing, an den Stricken zu zerren. Sein Gebrüll ging im Stakkatochor ihrer Reihen, in diesem abgerissenen Bellen tollgewordener, blutdürstiger, rotäugiger Hunde unter. Alles an Virri bewegte sich mehr als die Hand am Messer, die wie eingefroren schien. Seine Schultern hoben und senkten sich wie im Krampf.
    „Was verdient er?“
    „Tod! Tod! Tod! Tod! Tod!“, brüllten sie mit heiserem Schnappen in die Nacht.
    Der Chor von Aurics Gefährten steigerte sich zum Crescendo. Eine Woge rasender, anfeuernder Blutlust taumelte den feuerbeschienenen Rund brüllender und stampfender halbwüchsiger Kriegerseelen entlang, hochgepeitscht vom Drachenblut, immer wieder, immer wieder, um und um. Der durch ihre Raserei begrenzte Kreis wurde zu einem Mahlstrom, einem gähnenden Rachen im Abgrund der sie umschlingenden Nacht. Auric spürte, wie sein Mund die Worte zwar formte, sie ihm aber im Hals stecken blieben und ohne Kraft, nur als stimmloses Keuchen über seine Lippen kamen. Es machte keinen Unterschied im Toben um ihn herum. Die kalte Faust über dem Herzen war wieder da, erstickend und lähmend schwer, wie selbst im Kampf sonst nie empfunden.
    „Mach ihn alle, Virri!“ Einzelne Aufschreie brachen aus dem gemeinsamen Chor aus.  
    „Schlitz ihm die Kehle auf! Virri!“  
    Sie trommelten ekstatisch auf ihre Oberschenkel, stampften und klatschten in wilder Horde, brüllten sich aus voller Lunge heiser, schrieen ihrem Kleinen, ihrem Liebling zu. „Tod! Tod! Tod! Tod! Tod!!!“  
    Nur die Glieder der elenden, mageren Gestalt mit dem Messer am Hals des Gefangenen schien ein anderer Rhythmus als der ihre zittern und zucken zu lassen.  
    „Virri, du bist ein verdammter Killer!“, brüllte Kainen direkt neben Aurics Ohr auf, dass seine Stimme sich überschlug. „Wir wissen es! Du kannst es! Lass uns Blut sehen!“  
    Ihr Kleiner, ihr Maskottchen. Ihr Feuerkreis, ihr Opferdienst.
    Aurics Blick war starr auf Virri gerichtet. Er hatte jetzt das Messer direkt an die Kehle des Gefangenen gesetzt. Virris Kopf drehte sich zur Seite, ganz langsam, bis er sie ins Auge fassen konnte, ein tobender Kreis, eine Woge von Jungen, die seinen Namen schrieen, die ihn alle anfeuerten. Der Blick in seinen Augen hatte etwas Flehentliches.
    Virris Blick wanderte wieder zurück, doch nicht ganz. Er wollte sie mit seinen Augen nicht loslassen. Eine kleine Bewegung mit dem Messer, den Blick halb beiseite. Blut pumpte aus dem Schnitt im Hals. Der gellende Geschrei des Gefangenen riss ab und erstarb im heulend triumphierenden Auftoben der Jungen, erstarb zu etwas, von dem Auric wusste, dass es ein widerliches feuchtes Gurgeln sein musste, das es nicht mehr zum Keuchen brachte.  
    Das niemand hörte außer Virri.

    Virri hatte sich vollgepisst, aber jeder ignorierte das im Jubeln und Schulterklopfen. Virri sagte gar nichts. Nur irgendwelche kleinen, belegten Laute, die Zustimmung oder Gleichgültigkeit gleichermaßen ausdrücken mochten, kamen aus seiner Kehle.
    Den nächsten Tag war er teilnahmslos, bleich und hohläugig. Er aß nichts auf ihrer Rast, und wenn ihm einer aufmunternd auf die Schulter klopfte, zuckte er zusammen. Sie liefen weiter in ihrem Trab, auf endlosen Pfaden durch ungerodetes, nasskaltes Hügelland, tiefer ins Gebiet der Vraigassen hinein, um mit den anderen Trupps zusammenzutreffen. Gegen Abend kam zum ersten Mal ein ersticktes „Hab‘s ihm gezeigt“ aus Virri heraus, tonlos und apathisch, und zuerst merkten sie gar nicht, dass er etwas gesagt hatte. Als ihn Kainen beim Schlafengehen zudecken wollte, schlug er um sich.
    Am späten Morgen sahen sie vor sich auf dem Knie einer Anhöhe eine Burg, die den Eingang zu einem Tal beherrschte. Sie wussten, dahinter im weit gestreckten Tal lag reiches Siedlungsland der Vraigassen. Sie mussten nur die Festung auf Bergpfaden umgehen; um die Burg würden sie sich später kümmern, wenn sie das Land ausgeblutet hatten und ihre Hauptstreitmacht beisammen war. Einer von Kaustaggs beiden Veteranen kannte sich hier aus und führte sie auf unwegsamen, engen Pfaden über die Bergkämme. Als sie die steilen Anstiege empor kletterten, hörte Auric Virri vor sich hin murmeln. Er sprach leise und

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