Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
nur unregelmäßig und gelegentlich, wie zu sich selbst. Er fasste in seinem Gemurmel immer mehr Tritt, und schließlich konnte man auch verstehen, was er sagte. Auch die anderen bemerkten es jetzt.
„Dem hab ich es gegeben. Ich bin ein echter Killer.“
„Ja, hast du. Wie ein echter Skrimare.“
„Ein Skrimare atmet Blut und schwitzt Ehre aus.“
„Genau, Virri. Genauso.“
Die nächstgehenden schlugen ihm beim Marschieren auf die Schulter.
Auric sagte gar nichts dazu. Er wusste nicht, was er sagen sollte und ob das, was er sagen könnte, gut war. Oder was überhaupt gut für Virri sein sollte. Als sie am Abend ihr Lager aufschlugen, kam das, was Virri sagte, weniger stockend, hatte aber noch immer eine gewisse Tonlosigkeit, als mahlten Steine gegeneinander und brächten menschliche Worte hervor. Sein Gesicht, so beobachtet Auric, konnte noch immer von einem Moment auf den anderen einen hohlen, zutiefst verzweifelten Ausdruck annehmen, als könnten die Muskeln die steinerne Mimik nicht lange halten, als hätten flinke Finger bei ihm in eine Wunde hineingegriffen und etwas herausgezogen und auf den Haufen zu Schlachtabfällen und Innereien geworfen, etwas, das jetzt fehlte und ihn manchmal in unkontrollierten Momenten hohl glotzen ließ. Dann zuckte er noch immer zusammen, wenn ihn jemand berührte.
Am Tag darauf stießen sie gegen Mittag auf ein Gehöft mit ein paar angrenzenden Hütten. Kaustagg beschloss den Angriff.
Sie näherten sich langsam nebeneinander in Reihen durch die Felder. Die ersten der auf den Feldern Arbeitenden bemerkten sie und riefen ihnen Fragen entgegen, wer sie seien, woher sie kämen. Als sie dann ins Laufen verfielen und auf die Bewohner zustürmten, trat Entsetzen in ihre Augen.
Virri wütete als einer der Schlimmsten. In sein Gesicht stand ein unbeschreiblicher Hass eingegraben und mit der Raserei entfesselter Rachegeister hackte er dieser ersten Gruppe, die sie antrafen, das Entsetzen aus den Gesichtern. Er gebärdete sich wie wild, als sie in den Hof einbrachen, stach und schlug noch auf die Gefallenen ein, als gelte es Tierkadaver zu zerlegen und auszuweiden. Als alles vorbei war, schloss er sich den Jungen an, die in der Scheune ein paar am Leben gelassene Mägde zusammengetrieben hatten.
Einer von diesen Jungen erzählte nachher Auric, dass Virri einer Rothaarigen, während er sie von hinten nahm, den Dolch durch den Nacken in die Kehle gestoßen habe. Davon war keiner so begeistert. Virri war der Erste, der sie rangenommen hatte, und sie sah ziemlich gut aus.
Am Abend sprach ihn jemand darauf an, dass er ganz schön zugeschlagen habe.
„Was soll es“, sagte Virri. „Es sind Vraigassen. Es ist nur Fleisch ohne Ehre.“ Sein Gesicht blieb dabei ausdruckslos.
Als Kaustagg Virri grinsend auf die Schulter klopfte und mit seinen Sprüchen anfangen wollte, musste Auric schwer an sich halten und konnte nur mit den Zähnen knirschen. Aber auch da blieb Virris Gesicht ausdruckslos.
Nach und nach entwickelte Kaustagg eine besondere Bindung zu Virri. Er war sein kleiner, stahlkalter Skrimarenkrieger, sein Liebling. Kaustagg hatte Spaß an Virris Erbarmungslosigkeit. Er erkannte nicht, welche Art von Hass es war, die den kleinen, sehnigen Jungen antrieb.
Als sie weiter in das Land eindrangen, dem Treffen mit ihrer Hauptmacht entgegen, nahm Kaustagg ihn nach geglückten Angriffen beiseite, ging mit ihm in eine abgetrennte Scheune oder ein Haus, wohin man Gefangene gebracht hatte. Die Schreie, die dann von dort kamen, gingen Auric durch Mark und Bein.
Kaustagg bekam seine Antworten, was die Lage von Siedlungen, ihre Waffenstärke und geheime Pfade betraf. Und er bekam noch mehr. Mit einem feinen Lächeln der Befriedigung auf den Lippen kam er mit Virri aus den Gebäuden heraus, aus denen die Schreie ertönt waren. Es war, als destilliere seine Seele eine verjüngende Essenz aus der Tätigkeit des Jungen. Virri wischte sein Messer ab und blickte mit kaltem, teilnahmslosem Gesicht in die Welt.
Er prahlte wie alle anderen mit dem, was er im Kampf getan hatte – kalt, zynisch, auftrumpfend wie sie alle – und was er mit den Frauen hinterher anstellte. Über seine Arbeit nach der Schlacht mit den Gefangenen sprach er nie.
Auch Auric sprach mit seinen Truppgefährten nicht über das Erlebte. Sollte er denn auch in ihr Prahlen einfallen? Sollte er genauso zynisch werden? Das war nur möglich, wenn er einen ganz bestimmten Teil in sich abtötete. Und bei all
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