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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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schweren, teils mehr als mannsgroßen Steintrümmern. Teile von Pfeilern, geborstene Wandplatten gespickt mit Relieffragmenten waren ineinander gestürzt und in wildem Durcheinander zu Barrieren verkeilt, welche die abschüssige Sohle des Schachts begrenzten. Trümmerlawinen quollen durch verbliebene Risse und fugten sie aus. Große zackige Höhlungen gähnten dennoch in den unregelmäßigen Trümmerwänden, und ihre Tiefen verloren sich in Dunkelheit. Eine einzige klaffende Lücke jedoch war darin klar zu erkennen. Weil aus ihr ein Lichtschein drang.  
    Sein Blick umfuhr suchend mit neuem Aufmerksamkeitsfokus den Umkreis. Nirgends gab es hier Spuren des von den insektenähnlichen Wesen geschaffenen Röhrenbaus, der anderswo alles dominierte. Dieser Raum hier war anders als alles, was sie bisher von diesem unterirdischen Labyrinth gesehen hatten.
    Von hoch oben drangen gedämpft die Schreie des Kampfes herab. Einen kurzen Moment nur blickte er abwägend in Richtung des tanzenden Lampenwaberns. Jag war bei ihnen. Jag war fähig. Hier unten tat sich etwas. Etwas, das er ergreifen musste.

    Er gelangte in einen weiteren eingestürzten Raum.  
    Hier war die Decke zwar auch eingebrochen und Trümmer füllten den Raum so hoch, dass man an manchen Stellen nur kriechend hinüber gelangen konnte, aber die ursprüngliche architektonische Struktur der Kammer war darunter erhalten geblieben. Reihen wuchtiger Pfeiler im Wechsel mit tiefen, dunklen Nischen begrenzten ihre Seiten.
    Als er den Kamm des die Höhle teilenden Schuttbergs erreichte und – da hier zur Decke hin nur ein enger Abstand blieb – den Schild vor sich her schiebend kriechen musste, starrte ihn plötzlich aus der über ihm hängenden Dunkelheit herab übergroß ein Paar raubtierhafter Augen an. Riesig, kalt und gnadenlos.
    Er fuhr zurück, mit einem ruckhaften Satz, und wäre beinahe den Schuttberg kopfüber wieder hinabgestürzt. Er fasste auf Knien schlitternd Halt, den Schild in den Schutthang gerammt, das Schwert kampfbereit vorschießend. Doch nichts geschah, nichts packte ihn oder stürzte sich auf ihn. Er wurde weder zerquetscht, noch zerrissen, noch verschlungen. Es herrschte Stille, bis auf das Herabprasseln einer Schotterlawine, die er selber ausgelöst hatte.  
    Vorsichtig, als sein Herz aufhörte zu rasen, näherte er sich nun wieder der Stelle, sah dann aufblickend, was ihn so in Schrecken versetzt hatte. Es war das in Stein gemeißelte, übergroße Abbild eines Schädels. Das langgezogene Raubkatzengesicht eines Kinphaurentieres in einem helmähnlichen Kopfschutz fixierte ihn, aus dem Dunkel eines quadratischen Höhlungsschachts in der Decke, mit schwerer, lauernder Macht von oben herab. Es drohte dicht über ihm, so nahe, dass er es beim Durchkriechen fast berühren musste, so nahe, dass er sich der vollkommen unvernünftigen Panik erwehren musste, es würde jeden Augenblick auf ihn hinabstürzen: ein riesenhafter, kalt und maliziös starrender Kopf in einer Kiste, welche die Grundsätze des Oben und Unten verhöhnend, an der Decke des Raumes prangte. Schlimmer noch: Dessen schier erdrückende, übermächtige Suggestionskraft ließ seine Wahrnehmung von einem Wimpernschlag zum anderen zu einem alptraumhaften, surrealen Schreckensbild umkippen. Oben und Unten kehrten sich komplett um. Er war ein zwergenhaftes Insekt, das nur von der fragwürdigen Anziehung seiner Fingerspitzen gehalten, an einer Decke klebte, eingepresst zwischen Massen von Felsgestein und dieser lauernden steinerner Dämonenfratze in der dunklen Schachtgrube unter ihm, die mit der Drohung unvorstellbarer, unausgesprochener Schrecken auf seinen Sturz als das unvermeidliche Ende seines prekären Baumelns harrte.  
    Welche Wesen mit welcher Geisteshaltung entwarfen solche architektonischen grotesken Absonderlichkeiten und sahen sie als gewöhnlich an?
    Mit einem Mal traten die Worte Kaustaggs in sein Bewusstsein – klar und scharf aus Untiefen des Erinnerns hochgespült –, welche dieser benutzt hatte, als sie auf die verlassene Festung der Nichtmenschen hoch im Norden gestoßen waren. Dort im Torweg ist irgendetwas … Wächtergeist … wesenlos und empfindungslos wirkendes … in die Festung hineingebaut.
    Auric drängte mit aller Macht dieses irrationale, existentielle Schaudern zurück, rief sich in Erinnerung, dass seine Zeit drängte, und kroch unter dem Schatten des Steingesichts fort, den Schuttberg auf der anderen Seite hinab, auf den Lichtschein, auf den Eingang

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