Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
gerichtet, um ihren Rücken zu decken, mit Jag im Kommando. So gab es für die Biester nur noch zwei klare Angriffsachsen: von vorn, von hinten, beide durch eine Formation gesichert. Der kleine Kudai, der es sich auf Aurics Anfrage hin zugetraut hatte, die von ihnen erforschten Teile des Labyrinths skizzenhaft zu kartographieren, hielt sich mit dem Lederstück, das als Kartenuntergrund diente, und seinem Bleigriffel direkt neben Auric. In dieser Umgebung und mit der geringen Mannstärke war es von erstrangiger Bedeutung ihre Kräfte zu bündeln, außerdem war es für ihre Suche besonders wichtig systematisch vorzugehen.
Allerdings wurde ihre Formation immer wieder zwangsläufig dadurch aufgebrochen, dass sie sich an eingestürzten Röhrenstrecken vorbeidrücken mussten. Es sah aus, als hätte das ursprüngliche Mauerwerk unter dem Material des Röhrengangs nachgegeben und alles einstürzen lassen. An den Bruchkanten wo die Materialien aufeinandertrafen fand sich ein schaumig aufgetrieben wirkender Brei, der sich unter Aurics tastendem Fuß als spröde, dünn und brüchig, zum Wegsplittern neigend erwies. Anscheinend hatten die Materialien, die kinphaurische Architektur zusammenfügten, und der organische Baustoff der Erbauer des Röhrenbaus sich langfristig nicht miteinander vertragen und einander aufgelöst.
Es verging eine erstaunlich lange, nervenaufreibende Zeit, bis sie das nächste Mal wieder eines der Kinphaurentiere zu Gesicht bekamen.
Er hatte gerade mit Kudai die Köpfe zusammengesteckt und über dessen Karte gebrütet. Da tippte sein Nebenmann Huon-Khau ihm auf die Schulter. Er blickte mit Kudai von dem Lederlappen auf, und da sah er es.
Es war nur ein vager Schatten, gerade jenseits der Reichweite ihrer Lampen. Es hielt sich im Tunnelgang stets auf Entfernung zu ihnen, kroch dabei rückwärts, seine Gliedmaßen fast wie Spinnenbeine einsetzend, ganz langsam, immer gerade an der Röhrenkrümmung, vor ihnen her. Nur ab und zu hob es den Raubtierkopf in den Rand des Lichtscheins, um sie ein wenig besser beobachten zu können. Er leises, bedrohliches Geräusch, eine Mischung von verhalten aggressivem Schnurren und schnarrendem Raspeln ging dabei von ihm aus.
Sekunden später, Jags Zuruf meldete es ihm nach vorne, tauchte ein zweites hinter ihnen auf.
Ein drittes gesellte sich zu dem vor ihnen.
Die Kinphaurentiere griffen sie nicht an, behielten aber, als ihre Truppe langsam weiter vorrückte, einen konstanten Abstand zu ihnen bei, gaben sich fürs Erste damit zufrieden, sie zu belauern und eingekesselt zu haben.
Etwas war hier anders. Nicht wie im restlichen Teil der Unterwelt. Die Biester änderten ihr Verhalten, und das war möglicherweise als positives Zeichen zu werten. Auric deutete es jedenfalls als positives Zeichen; ein Lichtblick, etwas das man greifen konnte tat ihrer Aktion bitter not. Es konnte bedeuten, dass sie auf sensibles Territorium gerieten. Es konnte bedeuten, dass sie dem Ziel ihrer Suche nahe kamen. Es konnte heißen, dass sein systematisches Vorgehen Erfolg zeigte.
Er fing im flackernden Licht ihrer Lampen die fragenden Blicke von Hengart und Ni-Vannion über den Rand der Schilde auf.
„Es passiert etwas“, warf er ihnen zu, hob das Schwert in die hohe Bereitschaftshaltung und machte einen weiteren entschiedenen Schritt vorwärts. „Weiter. Jetzt erst recht. Wir sind an etwas dran.“
Mit gehobenen Schilden, kampfbereit darunter hervor stakenden Waffen bewegte sich ihre Formation wie ein gepanzertes Tier in der Röhre allmählich aber unerbittlich vorwärts. Die Biester hielten kriechend und schnarrend Abstand, stetig gleichbleibend, stetig lauernd.
Eine Komplikation ergab sich, als sie wieder auf einen der Gangteile stießen, wo der Boden teilweise eingebrochen war. Das bedeutete, dass sie sich seitlich an der gefährlichen Stelle vorbeitasten mussten; ihre Formation würde aufbrechen.
„Wir gehen rechts vorbei. Da sieht der Boden ziemlich stabil aus. Viererreihe geht auf Zweierreihe. Zwei nebeneinander passen an der Bruchstelle vorbei.“
„Das Drecksvieh hinter uns rührt sich.“ Jags Stimme klang von hinten her scharf und laut.
„Wir machen‘s wie ich gesagt habe. Wir haben keine Wahl; wir sind an was dran. Möglichst schnell vorbei, dann neu formieren.“ Er spürte, wie ihm der Schweiß die Schläfen entlanglief; es war heiß in diesen Tunneln.
Er nickte Huon-Khau zu, und sie tasteten sich gemeinsam an dem Einbruch vorbei, Huon-Khau an der
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