Ninragon - Homunkulus
stand ihm halboffen, er bleckte die Zähne, atmete schwer. Es arbeitete in ihm. Blieb dann aber doch stehen. Fühlte ihr Starren, wandte den Kopf, ihre Blicke bohrten sich ineinander. Er bemerkte wohl ihren Impuls ebenfalls loszustürzen, seine Hand packte ihre Schulter, drückte das straffe Leder der Uniform um ihre Schulterrundung.
»Nicht wir.« Er sah sie an, hielt noch immer ihre Schulter. Er nickte, wie um der Bemerkung Nachdruck zu verleihen.
Gemeinsam sahen sie hinab.
Die Wachen um den Heereskommandanten brüllten ihre Kinphaurenbefehle durcheinander, hartes, harsches Bellen im spröden Hall zwischen Marmorflächen und Säulenreihen.
Der oberste, bleichhäutige Herr von Rhun wirkte gefasst, fast wie versteinert, eine drachenhautbewehrte Statue hinter einer waffenzückenden Beschützerreihe. Die Idarn-Khai ließen ihre Zwillingsklingen aus den Schulterhalftern schnellen und drangen vor. Armbrüste wurden auf die Kreatur gerichtet.
Die brüllte und stürmte wie ein rasender Keiler vor, die Arme herabhängend und so lang, dass die Klingen über den Boden eine klirrende Funkenspur zogen.
Blöder Reflex, dummes Vieh , dachte Danak. Lässt die Deckung sinken. Aber die Armbrüste surrten, die Bolzen flogen an der Kreatur vorbei, verfehlten sie, prallten klackernd gegen Marmorwände. Nur ein einziger verfing sich zitternd in den dunklen Panzerplatten.
Die Haut ist zwar bleich, das Blut aber trotzdem nicht so kalt, wie’s gut wäre. Hatten auch nur Nerven, diese Spitzohren. Und ließen sich von einem brüllenden Biest aus der Fassung bringen.
Das war dann auch schon gleich unter ihnen. Die Klingen flirrten umher. Viel Klirren, viel Geschrei, Körper sackten weg, wurden zur Seite geworfen. Blut spritzte durch leeren Raum. Klatschte auf kalten Stein. Die Luft war gesättigt vom Odem des Gemetzels. Die Idarn-Khai zogen durch den Tumult als seien sie Echos voneinander, auf den Homunkulus zu. Na, ein Echo blieb hängen, hatte sich im Klingenweben des Viehs verheddert, lebte aber noch, wich aus. Der andere kam in einem weiten Sprung, sicher wie ein Sichelbogen auf die Schultern des Kolosses und ließ kalten Stahl abwärts sirren. Der Homunkulusschädel schnappte nach ihm und fauchte. Der Idarn-Khai war schon wieder aus seinem Bewegungsradius, das Biest fuhr herum.
Was für ein Sprung, was für eine Perfektion. Wow, die Kerle waren ein Phänomen. Solche Sprünge, solche Präzision. Sie sah gerade eine Legende mit eigenen Augen. Im Einsatz. Aber der Homunkulus war auch nicht ohne. Einen der beiden hatte er immerhin schon erwischt. Dem lief das Blut die Seite hinab. Der zweite hatte hart unter den Attacken des Homunkulus zu kämpfen, der jetzt wild auf ihn eindrosch. Aber er trotzte ihm, brachte sich nicht mit einem Sprung in Sicherheit – wie sie selber unten in den Katakomben. Versuchte es zumindest. Der Homunkulus hatte zu viel Kraft und Schnelligkeit hinter seiner Attacke.
Auch der hier war nicht brandneu, sah Danak. Sah auch aus, wie von den Schlachtfeldern geborgen, geflickt und in Gang gesetzt. Brüche in den Panzerplatten, der Kopf roh und geschunden.
Der Homunkulus wurde jetzt von der anderen Seite attackiert, vom zweiten Idarn-Khai und den restlichen Wachen des Heereskommandeurs Vaukhan. Die Kreatur schwenkte zu ihnen hin, brach in ihre Reihen ein, fegte sie zur Seite. Den zweiten Idarn-Khai, der wieder in einem Sprung an ihn herankommen wollte, schüttelte er ab wie lästiges Ungeziefer, dass er durch die Halle flog. Sein Kopf ruckte hin zur Gestalt des obersten Kinphauren-Herrn von Rhun.
Ein Moment erstarrten Schreckens, dann gab es Gebrüll.
Die Kinphauren, der eine Idarn-Khai, dann der andere, sich aufrappelnd, ebenfalls, formierten sich erneut, um einen schützenden Wall um ihren Herrn zu bilden, während der Homunkulus mit mörderischer Zielstrebigkeit den ersten stampfenden Schritt auf ihn zu machte.
Das wird nichts , durchfuhr es Danak, Idarn-Khai hin oder her. Dieser Homunkulus hier war stärker, weniger beschädigt und mitgenommen als der, dem sie in den Katakomben hatten entgegentreten müssen. Und ihre Gedankengänge wurden unterbrochen, als sie spürte, wie sich in ihrem Nacken die Haare aufrichteten, ein eiskaltes Prickeln auf der Haut. Als wenn dich jemand anstarrt.
Sie fühlte wie eine kalte Welle von Macht und Bedrohung sie berührte. Hinter ihr. Choraik neben ihr, sein Kopf fuhr ebenfalls herum.
Ein Schatten, dann schnellte es schon auf sie zu. Und an ihnen vorbei.
Eine Welle
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