Ninragon - Homunkulus
schnaubte ihn an, bleckte die Zähne. Sein Gesicht war eine erstarrte auberginefarbene Maske. »Du willst auf den Meutenkodex pochen?«, versetzte sie. »Man verpfeift nicht an Gänsehüter? Okay, dann wird’s blutig für dich.« Ließ einen Moment Pause. »Aber du musst es nicht so haben. Wenn die Wölfe erst gar nicht von ihrer Firnhöhe runterkommen.«
»Sie sind doch längst schon da«, gab ihr der Vastacke zurück. »Der ganze Nordrand von Ost-Rhun bis runter zur Kupfergrube gehört ihnen. Was also willst du da noch tun?«
»Das kann ich dir sagen.« Sie ließ das Feuer in sich kalt und entschlossen werden. »Ich knaste sie ein. Einen nach dem anderen. Ich nehme sie mir vor. Darauf kannst du dich verlassen. Ich brauche nur ein paar Adressen. Ein paar Orte, wo ich mit dem Rammbock rein gehen kann. Wo ich unter sie fahren und sie mir greifen kann. Die Gänsehüter fahren unter die Wölfe wie der Fuchs im Hühnerstall. Was sagst du dazu, Vai Gau Nan? Würde dir das gefallen?«
Er sah sie an, sein rechtes Auge aufgerissen, die Braue drüber hochgezogen, das andere zusammengekniffen, eine Maske erregter Versunkenheit, die er einen Moment hielt. »Du machst das? Du ziehst das wirklich durch?«
»Komme ich dir so vor, als würde ich halbe Sachen machen?« Sie schob ihr Kinn vor, fixierte ihn, wartete ab, was da kam.
»Drauf gespuckt?«
»Drauf gespuckt, Vai Gau Nan.«
»Gut, du kriegst von mir, was ich weiß. Aber das wird niemand anderes erfahren. Hast du das verstanden?«
»Klar.«
In diesem Moment hörte sie von Histan Vohlt einen kurzen Laut der Überraschung, sah ihn in einem der Löcher verschwinden. Der Vastacke sah sich nach ihm um, Danak drängte sich an ihm vorbei zu dem Verschlag hin, in dem Histan verschwunden war.
Histan kniete auf einer der schäbigen Strohmatratzen über einer männlichen Gestalt, die schlaff an der Wand lehnte. Eine Frau mit ostnaugarischen Zügen war vor ihm zurückgewichen. Ihre Augen waren weit in verzweifelter, ausgehöhlter Apathie. Ein Kind klammerte sich an ihre Hüfte, ein zweites hatte sich über ihren Schoß geworfen.
Danak hörte das halblaute, verwaschene Brabbeln schon von der Tür her. Sie trat hinzu und sah den starren, blanken Blick. Unter der blutig zerkratzten Stirn, den wild buschigen Brauen stach das Weiß der Augen hervor wie ein gepelltes Ei.
»Oh, nein«, entfuhr es ihr. »Wieder einer.«
Histan sah auf der Matratze kniend zu ihr hoch. »Werden mehr. Von vereinzelten Fällen kann man kaum noch reden.«
Sie sah den Mann an. Speichel floss ihm übers Kinn. Der nahm eindeutig die Welt um ihn herum nicht mehr wahr. Das, was von den Lippen an Lauten kam, machte nicht mehr den Eindruck, als sollte es noch irgendetwas bedeuten. Da war etwas im Hirn zernagt und zerfressen worden, und jetzt war das nur noch vegetabilische Fäule. Sie hatte einmal jemanden gesehen, der in den Einfluss eines Wächtergeistes geraten war und dem es den Verstand weggebrannt hatte; dieser Mann erinnerte sie daran. Dennoch wusste sie, die Ursache war eine andere.
Seit einiger Zeit tauchten Fälle wie dieser immer wieder unter den Drogenkonsumenten von Rhun auf. Ausgebrannte Wracks mit Nervenschäden. Immer gleich. Eindeutig dasselbe Leiden. Eindeutig der gleiche Hintergrund. Dahinvegetierend und dem Tode geweiht. Der ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Keiner überlebte lange, nachdem bei ihm einmal die Symptome aufgetaucht waren.
Sie wandte sich um, und der Vastacke stand gebeugt in der Tür.
»Hat er bei dir gekauft?«
Der Vastacke hatte mit einem Blick erkannt, mit was sie es da zu tun hatten. »Hat er bestimmt. Aber ich kann nicht sagen, ob er nur bei mir gekauft hat.«
Sah, was auf ihn zukam, bei gerade frischem Burgfrieden, und wollte eine Hintertür öffnen.
»Wieso?«, warf sie ihm zu. »Ich denke, du hältst die Gärten.«
»Ja, aber jeder kann gehen, wohin er will. Und dort auch kaufen. Die Gärten sind kein Gefängnis.«
Sie deutete mit dem Kopf irgendwohin, meinte den Verschlag und das ganze üble Elend drumherum. »Sieht hier aber aus wie eines.«
»Danak«, sagte er, und sie wusste, dass sie, wollte sie nicht das Errungene verlieren, es nicht weitertreiben sollte. »Das hier sind meine Angelegenheiten. Das sind meine Gärten. Wir kommen beide irgendwie miteinander klar. Du auf deiner Seite. Und ich auf meiner. Ich gebe dir, was du willst. Versuche hier nicht, unnötig Ärger zu machen.«
Und da war sie wieder verdammt froh, dass es sich so ergeben
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