Ninragon - Homunkulus
hatte, dass Choraik heute bei dieser Aktion nicht dabei war. Für was so ein Kleiderschrank voll mit ausschließlich kinphaurischen Sachen und ein sturer Renegatenkopf doch manchmal gut sein konnte.
6
Var’n Sipach traf sich mit dem Magier hinter den schweren, dunklen Isokrit-Wänden des Konsil-Gelasses, wo dieser zuvor mit dem Großen Bildnis konferiert hatte.
Um diese Kammer im Herzen des Herrschaftstraktes auf dem Engelsberg zu installieren, waren die Decken des ehemaligen Parlamentsgebäudes durchbrochen und die Wände angepasst worden. Entstanden war ein von der Grundfläche her quadratischer, enger Schacht, nur beleuchtet durch Bleichlicht-Röhren weit über Kopfhöhe. Die verstreuten metallischen Einschlüsse und vereinzelten Edelsteinablagerungen in den dunklen, körnigen Isokritsteinplatten fingen deren Licht ein, so dass in den Lichtkegeln die Gesteinsflächen wie ein Sternenhimmel in einer kalten Winternacht erschienen.
Er und der Magier trafen sich beide im Angesicht des weit mehr als mannshohem Steinantlitzes, das nun wieder starr und regungslos war. Dieses Ankerartefakt eines verzweigten Geistes war auf Kyprophraigenpfaden nach Rhun verbracht worden, genau so wie auch einige andere Dinge von Wert und einer gewissen Sperrigkeit. Der Magier hatte darauf bestanden, sich an diesem Ort mit ihm zu treffen. Das Konsil-Gelass war innerhalb der Grenzen von Rhun der wohl am besten abgeschirmte Raum, zum einen wegen der dicken Isokrit-Platten, zum anderen weil von dem Geist, auch wenn er wie jetzt in den Artefaktstupor versank, noch immer eine starke, neutralisierende Wirkaura ausging.
»Wir sind beunruhigt«, kam die Stimme des Birgenvettern unter der Knochenkappe hervor, die beinahe sein ganzes Haupt bis hin zum Mund verbarg. Der versteinerte Schnabel zog sich bis auf die schmalen, dunklen Lippen hinunter. Auf der weißen Haut erkannte man netzartige Tätowierungen, mit Spiralformen durchsetzt, die sich in den Schatten des Schädelhelms verloren.
Die Augen des Birgenvettern waren unter den in die Knochenkappe gefrästen kreisrunden Öffnungen kaum zu sehen. Dennoch hatte var’n Sipach den Eindruck – wie immer, wenn er einem Mitglied der Magierkaste der Sirith-Drauk begegnete –, dass sich ihr Blick hart wie ein Nagel in ihn bohrte. Die Nähe zu ihren Familiarwesen, den in die Tiefe des Geisterraums wuchernden Atterbirgen, machte wohl etwas mit ihrem Geist und ihrer Gestimmtheit, das sie weit weg vom Denken und Fühlen eines gewöhnlichen Kinphauren trug.
»Wir sind beunruhigt«, sagte der Magier noch einmal, und var’n Sipach schluckte und fasste sich. Ihm wurde bewusst, dass er erstarrt wie ein Trottel dagestanden hatte. Wen hatte der Magier mit »wir« gemeint? Sich und seine anderen gesichtslosen Birgenvettern? Oder sich und das Große Bildnis, mit dem er zuvor konferiert hatte?
»Dieser Machtwerker aus dem Menschenorden, mit dem Ihr zusammenarbeitet, dieser …«
»Bek Virdamian heißt er«, beeilte sich var’n Sipach zu ergänzen. »Und er stammt aus den Magierkadern des Einen Weges.«
»Er hat etwas entdeckt.«
Var’n Sipach schrak innerlich zusammen, versuchte es sich aber nicht nach außen hin anmerken zu lassen. Er konnte nur hoffen, dass auf seine kleine Zusammenarbeit mit dem Menschenmagier nicht der Schatten des Unmuts der Birgenvettern gefallen war.
Der Magier schwieg. Am Ausdruck der nicht von dem Tierschädel verdeckten unteren Gesichtspartie mit den schwarz-violetten Lippen war keine Regung abzulesen. Der Blick der Augen hinter den kreisrunden Löchern schien sich weiterhin starr in ihn zu bohren. Dann drehte er seinen Schädel, nur um eine Spur, mit einem Geräusch, als würden die Knochennähte der Schädelkappe gegeneinander kratzen.
»Was er entdeckt hat«, sagte er mit einer Stimme, die klang, als würde sie sich durch Knochen fräsen, »ist nicht von Belang. Das mag Ihr privates Projekt sein. Und bleiben. Aber dass er etwas entdeckt hat, eine Methode, einen neuen Bann, selbstständig, aus sich heraus, das ist es, was unsere Aufmerksamkeit auf ihn zieht.«
Wieder ein Knarren, als würden sich Knochennähte gegeneinander schieben. Var’n Sipach glaubte, dass es jetzt nicht von der Schädelkappe kam, sondern dass der Birgenvetter es im Mund erzeugte. Der Birgenvetter schnalzte mit der Zunge.
»Er sollte nicht in der Lage sein, aus eigener Kraft etwas zu entdecken«, sprach der Magier ruhig wie ein Stein weiter. »Er sollte sich nur innerhalb der Grenzen, des ihm
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