Ninragon - Homunkulus
enger schienen. Aber var’n Sipach fuhr schon fort.
»Und wenn Klan Vhay-Mhrivarn sich gestärkt fühlt, sich in seinem Vorgehen in der Sache dadurch bestätigt fühlt, dass keine Vergeltung für den Mord an Mar‘n-Khai Venach Idaz erfolgt, ihrem Stahlbürgen, dann geht Klan Vhay-Mhrivarn als nächstes gegen Sie vor. Dann sind Sie das nächste Opfer.«
Das war es also. Da war es heraus. Die Worte hingen in der Luft, seine Befürchtungen waren bestätigt. Kinphaurenfehden. Er mitten drin. Dieser Posten, Hauptmann der Stadtmiliz, seine Chance. Er war den Weg gegangen. Er hatte die Gelegenheit ergriffen. Er dachte, damit diese dumme Sache im Tragent hinter sich gelassen zu haben. Verdammt, was sollte er tun? Er kannte sich immer noch zu wenig in den verästelten Labyrinthen der Kinphaurenränke aus. Und er konnte schwerlich in ein von Kinphauren gehaltenes und bewachtes Kastell gelangen wie dieses … Ding – was immer es war – es getan hatte, um einen vom Klan Vhay-Mhrivarn umzubringen. Er kannte auch niemanden, der so etwas vermochte. Für so etwas konnte er keine Stadtmiliz einsetzen. Nicht gegen die Kinphaurenherren. Selbst wenn die dazu in der Lage gewesen wären. Aber es musste doch Möglichkeiten geben …
Er blickte aus seinen Gedanken auf, bemerkte, dass seine Blicke auf der Suche nach einer Lösung nervös den Boden, die Wände, all die seltsamen Kinphaurenrelikte abgesucht hatten, ohne sie dabei wirklich wahrzunehmen, bemerkte jetzt, dass die Augen von var’n Sipach noch immer auf ihm ruhten.
Dessen Blick kam ihm nicht länger inquisitorisch vor. Stetig war er. Var’n Sipachs Blick ruhte auf ihm. Mit Sicherheit. Mit Ruhe.
»Sie sind nicht allein in dieser Sache«, sagte var’n Sipach, und ihm erschien es, als habe die Stimme des Bevollmächtigten Beils eine gewisse tragende Wärme. »Sie sind eine starke Bindung mit Klan Khivar eingegangen. Ich habe Sie unter Eisen-Protektorat gestellt.«
Var’n Sipach nickte ihm zu. »Sie stehen in dieser Sache nicht allein«, sagte er noch einmal. »Doch auch Sie sollten sehen, dass Sie Ihren Verpflichtungen nachkommen.«
Var’n Sipach begegnete seinem erstaunten Blick mit einem Ausdruck katzenhafter Gelassenheit im Gesicht.
»Etwas ist bei dem Zugriff eines ihrer Kader am gestrigen Tag nicht so gelaufen, wie ich es erwartet hätte«, sagte var’n Sipach schließlich. »Etwas wurde dort von ihren Leuten nicht sichergestellt. Etwas, das sichergestellt werden muss. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie das korrigieren.«
Nicht nur die Armbrustbatterien? Was war denn noch aus kinphaurischen Waffenkammern abhanden gekommen? Sehr peinlich für die neuen Herren. Und jetzt hing es an ihm. Er blickte in var’n Sipachs bleiches Gesicht und wartete auf den Satz, der dann auch schließlich kam.
»Sie haben mit diesem Posten eine große Chance bekommen«, sagte var’n Sipach. »Das ist ihre Bewährungsprobe.«
Histan schien der Tod von Khrival tatsächlich auf eine merkwürdige Weise nahegegangen zu sein.
Sonst war er zwar der ernstere der Truppe, doch in einer Runde mischte er sich immer unter die Leute, ja, er war sogar meistens da, wo es am geselligsten zuging, und nicht selten war er Zentrum des Treibens. Er zog jeden in ein Gespräch und schien immer dem, was jemand zu sagen hatte, aufmerksam zu lauschen.
Jetzt saß Histan im Hauptraum der dunklen verzweigten Schenke des Bilganen abseits von allem, als hätte er in all dem den Anschluss verpasst, und starrte trübselig aus dem rauchgeschwärzten Fenster.
Alle anderen hatten sich, als sie nach und nach in die Schenke einfielen, zunächst schweigsam zugetrunken, als müssten sie zusammen mit den Geistern der Abschieds auch erst einmal die Herbstkälte, die mit der Dämmerung in den Straßen Rhuns Einzug hielt und durch die Gassen kroch, aus ihren Knochen vertreiben. Aber dann, ganz allmählich, glommen im Schankraum des Bilganen die fahlen Lichter von Gesprächen auf, Geschichten, Anekdoten über den Verstorbenen. Ein vereinzelter, verhaltener Lacher erklang. Sandros glänzte darin, das schroffe, im Kern aber herzliche Wesen Khrivals einzufangen. Chik wusste mehr über den toten Vorsekkmann, als man ihm eigentlich zugetraut hätte, kleine Dinge, Bemerkungen am Rande, Gesten. Eine kenntnisreiche Einfühlung, die ein Blick auf die Fassade seines stoischen Narbengesichtes ansonsten nicht so ohne weiteres erkennen ließ. Sandros hörte ihm jetzt nachdenklich zu, klopfte einen seiner südländischen Kräuterstengel
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