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Ninragon - Homunkulus

Ninragon - Homunkulus

Titel: Ninragon - Homunkulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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gehärteten Lederweste schloss. Er steckte sich einen dieser südländischen Kräuterstengel zwischen die Lippen, zog eine Zündzange aus der Jackentasche und steckte sie sich an.
    Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sandros zielsicherer Geschmack bei Kleidung, das Ergebnis einer erlesenen Erziehung, dagegen bei Choraik das Kinphaurenwesen zusammen mit seiner asketischen Ader. Sie konnte sich vorstellen, dass das zu einer gewissen Beratungsresistenz führte. »Dass er ein harter Fall ist, wusstest du vorher. Du hast dich freiwillig angeboten.«
    »Hätte ich ihn mit Mercer zum Kleidungeinkaufen losziehen lassen sollen? Dann hätten wir danach ein oder zwei weitere Ausfälle im Kader gehabt.«
    »Was habt ihr gesprochen?«, fragte sie ihn.
    »Du meinst, was ich ihm über uns verraten habe?« Sandros warf ihr einen schiefen Blick zu. »Ich habe ihm nichts gesagt. Ich habe ihm gar nichts gesagt. Du denkst auch, der Kerl ist ein Spitzel, den man uns in den Pelz gesetzt hat?«
    »Ob er direkt ein Spitzel ist, weiß ich nicht. Möglich ist es. Wir sollten aber im Auge behalten, zu wem er Verbindungen hat.«
    »Als könnte das einer von uns vergessen. Er kommt mir aber, trotz seines ganzen kinphaurischen Gehabes und so, na ja, ziemlich eifrig vor.«
    »Muss ein Spitzel auch sein, wenn er nicht auffallen will. Sonst hätten sie ja direkt einen echten Kinphauren in der Uniform der Bannerklingen als Aufpasser schicken können.«
    »Na, zumindest können wir sicher sein, dass er nicht von der Kutte ist.«
    Sie sah Sandros mit gerunzelten Brauen an. »Meinst du nicht, die haben alle ihre Untergrund-Agenten abgezogen, als sie hier im Norden in den Widerstand gegangen sind?« Darüber hatte sie nie wirklich nachgedacht.
    »Wieso?«, meinte Sandros. »Jetzt wo sie Widerstand sind, macht es doch erst recht Sinn, ihre Leute getarnt in der Bevölkerung zu haben.«
    Ihre Unterhaltung wurde dadurch unterbrochen, dass Choraik aus dem Türbogen des Treppenaufgangs kam. Choraik blieb stehen, verharrte einen Moment, sich anscheinend bewusst, dass sie ihn eingehend musterten, ja anstarrten. Choraik wirkte noch immer ziemlich monochrom, der Schnitt war eher glatt und schlicht, aber es war ganz klar Straßenkleidung, was er trug. Menschliche Straßenkleidung. Na ja, am Gesicht und der Tinte darauf konnte man nichts machen. Und an der Art wie er sich bewegte.
    »Kann’s losgehen?«, fragte er.
    »Okay …« Sie tauschte Blicke mit Sandros. »Okay.«
    Hinter ihnen kamen die ersten Gardisten aus der Tür des Mannschaftsraums in den Hof. Klirren von Schnallen, Stimmen, die Frotzeleien austauschten.
    Sie trat näher zu Choraik heran.
    »Ich gebe Ihnen mal einen Tipp«, sagte sie. »Kleidung ist nicht alles. Schauen Sie sich die Leute an, wie die sich auf den Straßen bewegen. Wie sie gehen. Mann, Choraik, werden Sie mal ein bisschen locker. Das ist kein Kinphaurenkastell. Sie müssen keine Angst haben, dass Ihnen jemand von einem verfehdeten Klan eine Klinge zwischen die Rippen jagt. Das sind die Straßen von Rhun.«
    Sein Blick lag eine ganze Weile auf ihr, eine Augenbraue war hochgezogen. Was hieß das? Was weißt du denn schon? Was wollte dieser Blick ihr sagen? Vielleicht: Dies ist eine Stadt unter der Herrschaft der Kinphauren?
    Ja, mein Lieber, und du bist einer davon. Hast es dir so ausgesucht. Jeder trifft seine Entscheidung.
    Es goss in Sturzbächen. Ganz Rhun war hinter Regenschleiern verborgen. Der erste große Herbstregen. Alle aus ihrer Truppe waren fast erleichtert, als das große Tor mit der Ramme aufgebrochen wurde und sie endlich reingehen konnten.
    Das Klappern der Armbrüste und Stiefel auf dem Boden, Atemwölkchen in der Luft. Danak hatte den Eindruck, dass die ganze Vorhalle – nichts als ein großer, leerer Lagerraum – geradezu dampfte. Hier drinnen, in der klammen, dunklen Kühle, lag hellbrauner Staub in der Luft, und draußen prasselten trüb silbern glitzernde Regenmassen nieder. Zwischen Tragbalken hindurch fiel dünnes Licht von den hohen, quadratischen Fenstern her ein.
    Der vordere Lagerraum war verlassen. Nur noch Wagenspuren auf dem Boden.
    Sie fächerten aus, näherten sich der Hintertür der Halle, dem Eingang zum eigentlichen Kontorgebäude hin. War es früher jedenfalls mal. Jetzt war es eine Wolfshöhle. Und zwar eine, in der die Firnwölfe sich sicher fühlten. Eine, von der sie glaubten, dass niemand außerhalb ihres Kreises, ganz bestimmt nicht der Vastacke, über sie Bescheid wissen konnte.

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