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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Sprachlosigkeit, die ihn vernichtete, nicht der Schmerz.
    Erst als es Walter gelang, seine Augen von Jettels bebendem Körper wegzuzwingen, fühlte er Leben in seinen Gliedern. Seine Ohren empfingen wieder Geräusche. Er hörte den Hund bellen, die Geier schreien, Stimmen von den Hütten und den dumpfen Klang der Trommeln aus dem Wald.
    Owuor rannte durch das verdorrte Gras auf das Haus zu. Sein weißes Hemd leuchtete im letzten Licht des Tages. Er ähnelte so sehr den Vögeln, die sich groß machten, daß Walter  sich beim Lächeln erwischte.
    »Bwana«, keuchte Owuor, »Sigi na kuja.«
    Es war gut, die Ratlosigkeit in den Augen vom Bwana zu sehen. Owuor liebte diesen Ausdruck, weil er seinen Bwana so dumm machte wie einen Esel, der noch die Milch der Mutter trinkt, und ihn selbst so klug wie die Schlange, die lange gehungert hat und durch ihren Kopf vor der Zeit Beute findet. Das schöne Gefühl, mehr zu wissen als der Bwana, war süß wie der Tabak im Mund, der noch lange nicht fertig gekaut ist.
    Owuor nahm sich viel Zeit, ehe er sich von seinem Triumph trennte, aber dann verlangte es ihn doch nach der Erregung, die seine Worte auszulösen hatten. Er war schon dabei, sie zu wiederholen, als ihm aufging, daß der Bwana ihn gar nicht verstanden hatte.
    So sagte Owuor nur »Sigi« und holte umständlich eine Heuschrecke aus seiner Hosentasche. Es war nicht leicht gewesen, sie beim Rennen am Leben zu halten, aber sie schlug noch mit den Flügeln.
    »Das ist«, erklärte Owuor mit der Stimme einer Mutter, die ein dummes Kind hat, »eine Sigi. Sie war die erste. Ich habe sie für dich gefangen. Wenn die anderen da sind, fressen sie alles auf.«
    »Was sollen wir machen?«
    »Großer Lärm ist gut, aber ein Mund ist zu klein. Es hilft nichts, Bwana, wenn du allein schreist.«
    »Owuor, hilf mir, ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    »Man kann die Sigi vertreiben«, erklärte Owuor und sprach nun genau wie Aja, wenn sie Regina vom Schlaf zurück in die Hitze holte. »Wir brauchen Töpfe und Löffel und müssen sie schlagen. Wie Trommeln. Noch besser ist es, wenn Glas zerbricht. Jedes Tier hat Angst, wenn Glas stirbt. Hast du das nicht gewußt, Bwana?«
    Als am Tag nach den Heuschrecken die Sonne aufging, wußten alle auf den Schambas und in den Hütten, dazu die Trommeln aus den Wäldern von den fernen Nachbarfarmen, daß Owuor mehr war als nur ein Hausboy, der in den Töpfen rührte und aus zahmen kleinen Blasen wütende Löcher machte. Im Kampf gegen die Sigi war er schneller gewesen als die Pfeile der Massai. Owuor hatte die Männer und Frauen und auch alle Kinder, die schon laufen konnten, ohne dabei nach dem Tuch um die Hüften der Mutter zu greifen, zu Kriegern gemacht.
    Ihre Schreie und der gewaltige Lärm von Töpfen, der Schall schwerer Eisenstangen, die aufeinandergeschlagen wurden, am meisten das schrille Gewitter von splitternden Glasscherben auf den großen Steinen hatten die Heuschrecken vertrieben, ehe sie auf die Schambas mit Mais und Weizen niederkamen. Sie waren weitergeflogen wie verirrte Vögel, die zu schwach sind, um ihr Ziel noch zu kennen.
    Am Tag, als der Bwana wie ein Kind brüllte, das am eigenen Zorn verbrennt und Owuor zum rächenden Retter wurde, hatte er seinen Kämpfern sogar die runden Krals, in denen abends das Poscho gekocht wurde, in die Hand gedrückt. Nach dem großen Sieg hatte Owuor die Nacht nicht mit Schlafen vertan und auch seine Ohren nicht für die lauten Scherze der Freunde geöffnet. Zu sehr berauschte ihn das Wissen, daß er zaubern konnte, zu süß war der Geschmack im Mund, wenn er seine Zunge das Wort »Sigi« sagen ließ.
    Am Tag nach dieser herrlich langen Nacht kehrte der Bwana zurück vom Melken, ehe die letzte Milch im Eimer war. Er rief Owuor ins Haus, als er gerade das Lied für die Eier beginnen wollte. Die Memsahib saß auf dem Stuhl mit der roten Decke, die wie ein Stück von der untergehenden Sonne aussah, und lächelte. Regina hockte auf dem Boden mit Rummlers Kopf zwischen den Knien. Sie schüttelte den Hund wach, als Owuor den Raum betrat.
    Der Bwana hatte einen dicken schwarzen Ball in der Hand. Er faltete ihn auseinander, machte aus ihm einen Mantel und zog Owuors Hand zu sich, damit sie den Stoff fühlen konnte. Der Mantel war wie die Erde nach dem großen Regen. An den beiden Seiten und am Kragen glänzte ein Stoff, der noch weicher war als der am Rücken; ebenso sanft war die Stimme vom Bwana, als er Owuor den Mantel um die Schultern legte und

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