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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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Karten mit uns herum, auf denen alles genau beschriftet ist. Was geschieht wohl, wenn der Atlantik und der Pazifik aufeinander treffen? Glaubst du, an dieser Stelle ist ein dicker schwarzer Strich im Meer?«
    »Du kennst also ihre Namen. Ich wusste es doch!«
    »Ich kenne eure Karten mit ihren Bezeichnungen. Du glaubst wohl, als Fisch ist mir so was egal, oder? Du glaubst,
ich treibe mich von früh bis spät im Wasser herum, ohne mir über irgendwas Gedanken zu machen – über Autos … Kreditkarten …«
    »Hey, hast du wirklich schon was von Autos und Kreditkarten gehört? Wie hast du das angestellt?«
    »Indem ich zuhöre«, antwortet Faro bescheiden. »Es ist schon erstaunlich, was man alles mitbekommt, wenn die Leute schwimmen, in der Sonne liegen oder mit ihren Booten unterwegs sind. Dann reden sie viel über Kreditkarten. Aber um aufs Thema zurückzukommen: Fische sind überhaupt nicht gleichgültig. Ich habe dir doch schon erzählt, dass sie ihre Erinnerungen teilen. Wenn ein Fisch stirbt, leben die Erinnerungen im Schwarm weiter. Und weil sie geteilt werden, gewinnen sie an Kraft.«
    »Machst du das auch, Faro?«
    »Was, sterben?«
    »Nein, auf diese Weise die Erinnerungen teilen.«
    Faro rudert mit den Händen sanft gegen die Strömung an. Kleine Blasen tanzen um seine Finger.
    »Wir teilen alles, was wir wissen«, antwortet er. »Wir behalten unser Wissen nicht für uns, als wäre es Geld, das unbedingt in unserem Portmonee bleiben soll.« Er lächelt mich stolz an. Da siehst du, was ich alles über Geld und Portmonees weiß. Dann wird er wieder ernst. »Wir haben jeder unsere eigene Erinnerung, doch manchmal fließt sie aus uns heraus oder in uns hinein. Ich kann auch Kontakt zu Elviras Erinnerungen aufnehmen.«
    »Auch zu meinen?«, frage ich verwundert.
    Faro gleitet mir entgegen, bis sich unsere Gesichter fast berühren. Wir werden von derselben Strömung getragen. In ihrem Inneren ist es vollkommen ruhig. Nur wenn ich den
Kopf zur Seite drehe und die Fische an uns vorbeijagen sehe, begreife ich, wie schnell wir sind.
    »Keine Ahnung«, antwortet er. »Wir können es ja mal versuchen. «
    »Was muss ich dabei tun?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß auch nicht, wie es bei Elvira und mir geht. Es passiert einfach.«
    Ich warte gespannt und hoffnungsvoll, während Faro mir in die Augen schaut.
    »Nein, es geht nicht. Du lässt es nicht zu.«
    »Wieso lasse ich es nicht zu? Ich mache doch gar nichts.«
    »Doch, du bist wie eine Seeanemone, die einen Schatten über sich spürt. Du verschließt dich und dann finde ich keinen Zugang zu dir.«
    Irgendwie fühle ich mich geschmeichelt. Ich bin stärker als Faro. Er kann nicht so einfach in mich eindringen wie ein Einbrecher. Doch andererseits bin ich traurig. Ich werde nie zu den Mer gehören, wenn ich nicht teilen kann, was sie teilen. Es ist sicher ein schönes Gefühl, seine Erinnerungen mit jemandem teilen zu können – nie mehr allein, verletzt oder verängstigt zu sein und nicht zu wissen, was man tun soll.
    Ich denke daran, wie die Seeanemonen in den kleinen Wasserbecken zwischen den Felsen aussehen. Ihre weichen Fangarme schlängeln sich durchs laue Wasser und erkunden ihre Umgebung. Zarte, feine Fangarme von violetter, brauner und roter Farbe. Conor und ich saßen oft stundenlang bei ihnen und achteten darauf, dass unser Schatten nicht auf sie fiel. Wir warteten so lange, bis die Krabben und Baby-Katzenhaie sich sicher genug fühlten, um aus ihren Verstecken im Tang herauszukommen, und die Seeanemonen
sich wie rote Blumen in einem Meeresgarten entfalteten.
    »Du bist mit deinem Bruder zusammen und beobachtest die Blumen«, sagt Faro. »Du bist sehr glücklich dabei …«
    »Du hast es getan, Faro! Du hast gesehen, woran ich mich erinnere!«
    » Wir haben es getan!«, sagt Faro. »Ich wusste nicht, dass Meerwesen und Luftwesen ihre Erinnerungen austauschen können.«
    »Aber wir haben es getan«, sage ich strahlend.
    »Vielleicht ist doch mehr Mer in dir, als ich dachte«, fährt Faro nachdenklich fort. »Auch Elvira und ich haben stundenlang die Hohlräume in den Riffen betrachtet, genau wie ihr. Als ich spürte, woran du dachtest, hatte ich das Gefühl, mich selbst zu erinnern. Nach und nach haben wir gelernt, wie Einsiedlerkrebse ihr Schneckenhaus auswählen, wie männliche Seepferdchen sich um ihre Babys kümmern, wo man Zuckertang und Erdbeeranemonen findet.«
    »Nur dass ihr euch dabei unter Wasser befandet und wir am Strand waren.

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