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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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Vielleicht taten wir es sogar zur selben Zeit.«
    »Ja, vielleicht. Aber weißt du, Sapphy, du bist nicht das erste Luftwesen, dem ich begegnet bin. Nicht einmal das erste, mit dem ich spreche. Ich weiß mehr, als du glaubst. Zum Beispiel weiß ich alles über Bücher . Warum lächelst du so merkwürdig?«
    »Ach, nichts.« Ich kann doch Faro nicht erzählen, wie komisch er aussieht, wenn er voller Stolz dieses banale Wort ausspricht.
    »Du lachst mich aus.« Faros Augen verengen sich.
    »Nein, das tue ich nicht. Du hast das Wort ›Bücher‹ nur
so komisch ausgesprochen. Als kämen die nur in irgendwelchen Märchen vor. Gibt es bei euch denn keine Bücher?«
    »Warum sollte es? Ich habe dir doch erklärt, dass wir nichts aufzuschreiben brauchen. Was bewahrt werden soll, können wir im Gedächtnis behalten. Außerdem brauchen wir diese Luftsachen nicht zu kopieren. Wir haben unser eigenes Leben.«
    »Seltsam. Das ist genau der Unterschied zwischen euch und den Menschen. Sie kopieren alles, ich meine, wir kopieren alles. So entwickeln wir uns weiter. Flugzeuge sind zum Beispiel erfunden worden, weil die Menschen lange genug die Vögel beobachtet haben und ebenfalls fliegen wollten. Also haben sie versucht herauszukriegen, wie die Vögel das anstellen. Hunderte von Jahren haben die Menschen den Vögeln nachgeeifert, bevor es ihnen gelungen ist. Und wenn wir U-Boote bauen, orientieren wir uns an den Fischen, würde ich sagen, oder wenn …«
    »Aber warum wollt ihr denn unbedingt fliegen können?«, unterbricht mich Faro neugierig. »Das passt nicht zu euch. Fliegen ist was für Vögel. Wozu soll das gut sein, wenn man Beine zum Gehen hat?«
    »Ja, aber … wenn du jemand etwas tun siehst, was du nicht kannst, willst du es ihm dann nicht nachmachen?«
    »Nein«, antwortet Faro. »Aber du willst das, weil du ein Mensch bist. Das ist es, was Menschen so gefährlich macht. Sie machen vor nichts Halt und begnügen sich nicht damit, Mensch zu sein.«
    »Aber wie kannst du wissen, was du wirklich bist, wenn du nicht alles Mögliche ausprobierst?«
    »Ich weiß auch so, was ich bin«, sagt Faro. Er schließt die Augen, legt sich auf den Rücken und lässt die Strömung den
Rest erledigen. »Ich brauche nicht zu versuchen, etwas anderes zu sein.«
    Neben seinem muskulösen, elegant geschwungenen, schwarz glänzenden Unterleib sehen meine Beine mickrig und schwach aus. Nahezu hässlich. Ich muss daran denken, dass Faro mich einmal als zweigeteilt bezeichnet hat. Ich habe meine Beine noch nie als hässlich empfunden, doch hier im Meer sehen sie bei weitem nicht so gut aus wie ein kräftiger Fischschwanz. Mit einem einzigen Schlag seiner Schwanzflosse wird Faro so schnell, wie ich niemals schwimmen könnte.
    »Schau nur, wie sicher du dich inzwischen bewegst«, sagt er, nachdem er die Augen wieder geöffnet hat. »Du musst dich gar nicht mehr an meinem Handgelenk festhalten.«
    Das stimmt. Ich denke daran, wie ängstlich ich bei unserem ersten gemeinsamen Ausflug in Faros Heimat war. Wie schmerzhaft es war, nach Indigo zu gelangen. Ich glaubte, sterben zu müssen, sobald Faro sich nur einen Meter von mir entfernte. Ich hatte das Gefühl, am Salzwasser zu ersticken. Doch jetzt verschwende ich keinen Gedanken mehr ans Atmen. Faro muss mir auch nicht versichern, dass mir nichts passieren kann, weil ich es mit dem ganzen Körper spüre. Jede einzelne Zelle weiß, dass der Sauerstoff des Meeres durch meine Adern strömt, ohne dass ich zu atmen brauche. In Indigo bin ich sicher.
    Ich werfe einen verstohlenen Blick auf meine Beine und frage mich, wie es aussehen würde, wenn sie sich zu einem starken, dunklen Fischschwanz verbänden. Dann wäre ich an Land nicht mehr in der Lage zu laufen. Die Fortbewegung wäre jedenfalls sehr schmerzhaft und ich müsste meinen Schwanz über die Steine schleifen. Doch hier in Indigo
wäre ich vollkommen zu Hause. Wie würde mir ein Fischschwanz stehen? Wie würde er sich anfühlen? Für einen Moment scheint der Druck der Strömung stärker zu werden. Er drückt meine Beine zusammen, als wären sie tatsächlich miteinander verbunden.
    Wie jetzt , denke ich. Würden meine Beine zu einem Fischschwanz verschmelzen, würde es sich ein bisschen anfühlen wie jetzt. Und dann wäre ich …
    Faro summt ein Lied vor sich hin, und ich kenne jedes Wort:
    Ach wäre ich doch in Indigo
und teilte die salzige See
in den tiefsten Fluten …
    »Woher kennst du dieses Lied, Faro?«, frage ich beiläufig. Ich will

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