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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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nicht, dass Faro merkt, wie wichtig das Lied für mich ist.
    »Ich muss es irgendwo aufgeschnappt haben«, antwortet er leise. Aber ich sehe seinem Gesicht an, dass er mir etwas verheimlicht. Seine Augen funkeln mich herausfordernd an.
    »Du weißt bestimmt noch, wer es gesungen hat.«
    »Nein, ich kann mich nicht erinnern.«
    »Versuch es, bitte.«
    Faro sieht nachdenklich aus, doch nach einer Weile wiederholt er bloß: »Ich kann mich nicht erinnern.«
    Ich verliere die Beherrschung. »Doch, das kannst du, und du musst es mir sagen!«
    »Ach, wirklich?« Er macht einen Überschlag und befindet sich mit einem Mal direkt vor mir. »Warum sollten die
Mer verpflichtet sein, dir irgendwas zu erzählen, Sapphire? Hast du eine Ahnung, was ihr Luftwesen uns Meerwesen antut?«
    Sein Blick verfinstert sich, seine Miene ist voller Abscheu. Faro ist nicht wiederzuerkennen. Ich weiche zurück.
    »Ich sage dir, was ihr tut. Eure Schiffe ziehen riesige Netze über den Meeresgrund, denen kein Lebewesen entkommen kann. Ihr zerquetscht die Korallen und zerstört die geheimen Plätze, an denen Leben beginnt. Die Gärten, die wir angelegt haben, sind ruiniert. Ihr vernichtet das Leben in Indigo und werft achtlos fort, was ihr nicht gebrauchen könnt. Delfine sterben in euren Netzen. Ihr jagt Wale, schneidet Haien die Flossen ab und lasst sie in ihrem eigenen Blut verenden. Rohre leiten euren Dreck nach Indigo. Wir ersticken an eurem Öl, und die Federn der Seevögel sind von eurem Schmutz so verklebt, dass sie weder schwimmen noch fliegen können. Ihr zwingt die Möwen, Müll statt Fisch zu fressen, bis sie völlig krank sind. Den Fisch beansprucht ihr für euch selbst. Ihr nehmt unsere Strände in Besitz und baut eure Häuser darauf, bis Indigo kaum noch atmen kann. Wenn ihr könntet, würdet ihr auch direkt auf dem Meer bauen, stimmt’s? Ihr fangt uns, sperrt uns in Glasbehälter und lasst uns im Zirkus auftreten. Du fragst dich, woher ich das alles weiß, Sapphire? Denk dran, dass ich die Sprache der Möwen verstehe. Die Möwen fliegen, wohin sie wollen, und sehen alles. Und sie erzählen uns, was sie sehen. Ihr Menschen wollt, dass alles zu euch gehört, nicht zu Indigo. Doch Indigo ist stark. Stärker als du denkst.«
    »Aber, Faro, für all diese Dinge kann ich nichts. Ich hätte doch nie …«
    Seine Miene entspannt sich ein wenig. Er scheint zu begreifen,
dass er mich – Sapphire! – vor sich hat, nicht einen persönlichen Feind.
    »Ich wollte euch niemals wehtun«, versichere ich. Selbst in meinen Ohren hört sich das albern an. Faros Worte haben mich tief getroffen, weil ich weiß, dass er Recht hat. Auch ich habe schon von Delfinen gehört, die in den Netzen der Tunfischfischer verenden, und von Tankern, die tausende Tonnen Öl ins Meer ablassen. Im Fernsehen habe ich ölverschmierte Seevögel gesehen, die qualvoll starben. Tote Fische, die mit aufgerissenen Mäulern an Land gespült wur – den. Was würde geschehen, wenn jetzt ein Tanker sein Öl über uns abließe? Würde es unsere Lippen und Zungen bedecken und in unseren Augen brennen? Würde es auch uns töten? Ja, natürlich! Wir würden daran ersticken.
    »Du glaubst also, dass du nicht für diese Dinge verantwortlich bist«, sagt Faro mit leiser Stimme. »Doch auch du bist ein Luftwesen, Sapphire.«
    »Aber ich bin kein…« Ich breche ab, weil Faro mich so durchdringend ansieht. Was macht er? Worauf wartet er? Ich fühle einen inneren Druck, als würden fremde Gedanken gegen meine eigenen ankämpfen.
    »Faro, nicht!«
    »Was denn? Ich mache doch gar nichts.« Er sieht verwundert aus.
    »Versuchst du nicht gerade … du weißt schon, meine Gedanken zu lesen?«
    »Nein, warum fragst du?«
    »Ich habe das Gefühl, dass irgendjemand in mein Bewusstsein eingedrungen ist. Irgendwas arbeitet in mir und will heraus, aber ich kann nicht sagen, was es ist.«
    »Ach so«, sagt Faro und lässt langsam die Luft entweichen.
»Das Gefühl kenne ich. Hast du es zum ersten Mal? Weißt du wirklich nicht, was das ist?«
    »Nein.«
    »Das bist du selbst, das heißt ein anderer, verborgener Teil von dir, den du noch nicht kennst.«
    »Das hört sich ziemlich verrückt an.«
    »Nicht verrückt, aber… kompliziert. Denk jetzt nicht weiter darüber nach, Sapphire.«
    »Faro …«, beginne ich und versuche, meiner Stimme einen ruhigen, beherrschten Klang zu geben. »Dieses Lied, das du vorhin gesungen hast … hast du je von meinem Vater gehört?«
    »Ja«, antwortet er sofort. Er

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