Nixenblut
auf!«
Seinem Mund entweicht ein Schwall flötender Geräusche, durchsetzt von schnalzenden Lauten. Es klingt wie Meeresmusik. Faro hält inne, starrt in die Ferne und wartet auf eine Antwort. Doch wenn ihm jemand antwortet, dann kann ich es nicht hören. Ich wünschte, ich verstünde diese Sprache. Ich wünschte, ich wäre weniger Mensch und mehr Mer.
»Sie kommen!«
»Wer kommt?«
»Warte, gleich wirst du sie sehen.«
Doch zuerst höre ich sie. Das Wasser ist angefüllt mit Geräuschen. Sie klingen wie Faros Musik, nur voller und eigentümlicher. Das Schnalzen, Pfeifen und Flöten scheint aus allen Richtungen zu kommen und plötzlich schießen sie aus der Tiefe empor – zwei geschmeidige, glänzende Körper, doppelt so lang wie ich. Sie kommen so schnell auf uns zu, dass ich zusammenzucke, weil ich fürchte, wir stoßen mit ihnen zusammen. Doch mit einem Mal bleiben sie stehen, während das Wasser um sie herum brodelt. Sie lächeln uns an.
»Delfine!«
»Wir dürfen auf ihnen reiten.«
Die Delfine gleiten an unsere Seite. Sie blicken mich mit ihren kleinen, klugen Augen an, schnalzen und pfeifen und scheinen auf eine Antwort zu warten.
»Sag ihnen, dass ich ihre Sprache nicht verstehe, Faro. Sag ihnen, dass es mir Leid tut.«
»Sie wollen, dass du auf ihren Rücken kletterst. Leg dich ganz flach auf sie, Sapphire. Nein, nicht so! Du bist zu steif. So wirst du abrutschen. Sieh her!«
Ich beobachte Faro. Ein Delfin taucht unter ihm hindurch, damit er sich auf seinen Rücken setzen und auf ihm ausstrecken kann. Faros entspannter Körper scheint mit der dunkel schimmernden Haut des Delfins zu verschmelzen. Ich kann nicht einmal erkennen, wo Faros Körper aufhört und der des Delfins beginnt. Ich berühre den Rücken des Delfins, der sanft meine Beine anstupst und mir anbietet, auf ihm Platz zu nehmen.
»Aber, Faro! Delfine tauchen doch nicht die ganze Zeit,
sondern haben ihre Rücken manchmal über der Wasseroberfläche. Es wird sehr schmerzhaft für dich sein, wenn du die Luft spürst.«
»Solange sie mich tragen, bin ich in Indigo«, sagt Faro, ohne sein Gesicht vom Rücken des Delfins zu heben. »Delfine sind immer ein Teil von Indigo. Komm jetzt, Sapphire. Wir müssen uns beeilen.«
Ich schmiege mich behutsam an den Rücken des Tieres. Sobald ich seine Haut an meiner spüre, fühle ich mich vollkommen sicher, als hielte mich ein unsichtbarer Sog an meinem Platz. Das Schnalzen und Pfeifen der Delfine scheint durch meinen Körper zu strömen und sich in eine Sprache zu verwandeln, die ich fast verstehe. Ich lausche dem Gespräch der beiden Delfine.
Sie gleiten auseinander und bringen sich im Wasser in Position. Dann schießen sie blitzartig nach vorne, sodass mir meine Haare ins Gesicht fluten. Ich sehe nichts mehr. Ich weiß weder, in welche Richtung wir jagen, noch wo sich Faro befindet. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so geborgen gefühlt. Mein Delfin spricht zu mir, und ich wünschte, ich könnte ihm antworten. Doch ich glaube, er spürt durch seine Haut, dass ich ihm vertraue. Ich bin sicher, seinen Herzschlag zu hören. Seine Nähe umhüllt mich wie eine Wiege.
»Du bist mein Freund«, sage ich, doch weiß ich nicht, welche Sprache ich spreche oder ob es nur Gedanken in meinem Kopf sind. Ich werfe einen verstohlenen Blick auf meine Arme, die von einer Schicht kleiner Blasen überzogen sind. Das Wasser um uns brodelt weiß, doch die hohe Geschwindigkeit scheint den Delfinen nicht die geringste Mühe zu bereiten. Auf einmal streben wir empor, und ehe
ich weiß, wie mir geschieht, schießen wir durch die Oberfläche ans grelle Sonnenlicht, um im nächsten Moment wieder ins dunkle Wasser einzutauchen. Ich spüre das Lachen meines Delfins. Ein ums andere Mal springt er aus dem Wasser und taucht wieder ein, immer schneller und schneller. Die Sprünge der Delfine werden jedes Mal höher. Faros Delfin ist jetzt direkt neben uns, und ich weiß, dass die beiden ein Wettrennen machen und sich gegenseitig anstacheln, während sie mit uns und miteinander lachen.
»Faro!«, rufe ich. Nicht weil ich eine Antwort erwarte, sondern weil dies das Schönste ist, das ich je erlebt habe. Merkwürdigerweise habe ich das Gefühl, die Zeit liefe rückwärts. Ich werde von der wilden Hoffnung gepackt, am Ende der Reise könne alles wieder vorhanden sein, was im Laufe der Zeit zerstört wurde. Dad ist wieder zu Hause. Er kommt mir am Strand entgegen und sagt: »Hallo, Sapphire! Warst du ein braves Mädchen,
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