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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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hin. »Aber nicht alle sind alt, oder?«
    Conor hat Recht. Unter den älteren Mer scheinen sich auch einige junge zu befinden. Eine sieht aus wie ein Mädchen, das kaum so alt ist wie ich.
    »Auch wir werden krank, so wie ihr. Auch bei uns gibt es Unfälle, so wie bei euch«, sagt Faro. »Nicht jedem ist ein langes Leben vergönnt.«
    »Was ist das für eine Musik?«, fragt Conor plötzlich.
    Ich lausche angestrengt. Ich habe keine Musik bemerkt.
    »Da ist sie wieder«, sagt Conor. »Hört mal!« Er wirft mir einen begeisterten Blick zu, doch ich kann nach wie vor nichts hören. Faro sieht Conor überrascht an. In seinem Blick liegt noch etwas anderes als Verwunderung, aber was?
    »Was hörst du für eine Musik?«, fragt er.
    »Das ist schwer zu beschreiben. Es klingt ein bisschen wie das Rauschen einer Muschel, die man sich ans Ohr hält… aber lieblicher, melodiöser. Da ist es wieder. Hörst du es nicht, Saph?«
    »Nein«, sagt Faro. »Nur die wenigsten von uns können es
hören und du bist ein Mensch. Manche Mer haben die Fähigkeit, es ihr ganzes Leben lang zu hören, doch die meisten nehmen die Musik erst wahr, wenn sie sterben. Es ist das Lied, das die Robben für uns singen, wenn wir nach Limina kommen.«
    »Dieser Ort heißt Limina?«, fragt Conor.
    »Ja.«
    »Ach, natürlich, du hast Recht. Es ist der Gesang der Robben«, bestätigt Conor, und für einen Moment habe ich das seltsame Gefühl, als wisse er mehr über diesen Ort als Faro. »Versuch, es zu hören, Saph. Es ist wunderschön.«
    »Ich kann es nicht hören«, entgegne ich.
    »Eines Tages wirst du es können«, sagt Faro. »Eines Tages kommen wir alle nach Limina, und die Robben bewachen uns, bis wir sterben. Kein Mensch hat dies je gesehen.«
    »Aber …«
    »Auch eure Vorfahren kamen hierher, nachdem sie weise geworden waren«, sagt Faro. »Hier ruhen ihre Gebeine. Glaubt ihr etwa, ich hätte euch hierher bringen können, wenn euer Blut euch nicht bereits an diesen Ort binden würde? Ihr glaubt, dass ihr reine Luftwesen seid, doch ich sage euch, dass auch ihr eines Tages die Grenze nach Limina überschreiten werdet – an meiner Seite.«
    Ich möchte ihm widersprechen, doch als ich einen weiteren Blick auf die weite Sandebene werfe, verflüchtigen sich alle Argumente. Wie wunderschön es hier ist. Indigo hat ihnen das Leben geschenkt, und Indigo nimmt sie wieder zu sich, wenn sie sterben. Hier gibt es nichts, das einen ängstigen müsste. Doch wie merkwürdig, dass Conor im Gegensatz zu mir die Musik hören kann, während ich in der Lage bin, mich frei in Indigo zu bewegen, er dagegen ohne
Faros Hilfe fast gestorben wäre. Es kommt mir ungerecht vor, dass nur Conor den Gesang der Robben wahrnimmt.
    Es kommt dir ungerecht vor, weil du in Indigo den Ton angeben willst, Sapphire , sagt eine lästige Stimme in meinem Kopf. Dir hat es gut gefallen, dass Conor in Indigo nicht mithalten konnte, oder? Das waren doch endlich mal umgekehrte Verhältnisse.
    Ich muss zugeben, dass die Stimme Recht hat. Ich war eifersüchtig auf ihn. Doch was für eine erbärmliche Eifersucht angesichts Conors Gesichtsausdruck, wenn er dem Gesang der Robben lauscht.
    Auch ich gehöre hierher, weil mein Merblut mich mit Indigo verbindet. Das ist es, was Faro gesagt hat. Conor und ich sind beide ein Teil von Indigo.
    Wir treiben wie im Traum dahin. Conor hält mein Handgelenk, Faro hält Conors. Die Graurobben patrouillieren aufmerksam, während die Mer, die sich in Limina befinden, auf dem schimmernden Sand ruhen. Die Zeit scheint stillzustehen. Es gibt nur die ewig währende Gegenwart.
    Ewig und unabänderlich. Niemand stört je diesen Frieden, nur die Familien bringen hin und wieder jene, die bereit sind, die Grenze nach Limina zu überschreiten.
    »Nein!«
    Mit einem Ruck schrecke ich aus meinem Traum. Es ist dasselbe Gefühl wie damals, als ich von Rogers Boot aufgeschreckt wurde, das mir plötzlich die Sonne nahm.
    Hier wollte Roger tauchen gehen. Dies ist der Ort, an dem er nach Schiffswracks suchen wollte – derselbe Ort, an dem die Mer sich auf ihren Tod vorbereiten. Ein Ort, der Faro zufolge so bedeutend ist, dass die Robben sogar ihn töten würden, um Limina zu verteidigen. Und wenn sie selbst Faro
töteten, was würde dann einen menschlichen Eindringling erwarten? Der Schreck fährt mir in die Glieder.
    »Er darf niemals hierher kommen. Kein Mensch darf dies je zu Gesicht bekommen«, sage ich laut. Conor schaut mich neugierig an. Faro nickt anerkennend.
    Doch

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