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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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schweißnass und mein Herz schlägt so laut, dass Conor es eigentlich hören müsste. Ich habe mich so nach Indigo gesehnt, doch jetzt, an der Grenze, möchte ich auf dem Absatz kehrtmachen, nach Hause rennen und mir die Decke über die Ohren ziehen. Mir ist übel, das Atmen fällt mir schwer.
    Gib auf, sagt eine Stimme in meinem Kopf. Geh zurück. Du magst Roger nicht einmal. Warum riskiert ihr euer Leben, um ihm zu helfen? Geht jetzt nach Hause. Niemand wird euch etwas vorwerfen. Niemand wird etwas wissen. Du bist doch ein Kind. Roger ist ein erwachsener Mann, er kann auf sich selbst aufpassen.
    Das stimmt. Roger hat selbst Schuld, dass er hierher gekommen ist. Ich bin nicht für ihn verantwortlich. Ich kann Conor sagen, dass es zu gefährlich ist und ich doch nicht die Kraft habe, ihn nach Indigo zu bringen. Niemand wird je herausbekommen, ob das wahr ist oder nicht.
    Doch dann höre ich Granny Carne. Natürlich höre ich sie nicht wirklich, doch erinnere ich mich so lebendig an ihre
Worte, als würde sie in diesem Moment in mein Ohr sprechen. »Du hast Merblut in dir, Sapphire. Du hast es von deinen Vorfahren geerbt. Du kannst es tun.«
    Granny Carne wird wissen, dass ich die Wahl hatte und nach Hause zurückgekehrt bin. Conor wird es auch wissen. Doch vor allem ich selbst werde es wissen und mir nichts vormachen können. Ich habe die Wahl, ihm zu helfen oder ihn im Stich zu lassen. Ihn dem geballten Zorn von Indigo auszusetzen.
    Roger wollte mir helfen. Wir haben in der Küche über Sadie gesprochen und er hat mich verstanden. Er hat Mum gesagt, wir seien alt und verantwortungsbewusst genug für einen eigenen Hund. Vielleicht lässt mich Mum trotzdem keinen Hund haben, doch dann liegt es nicht daran, dass Roger es nicht versucht hätte.
    Jetzt kann ich versuchen, ihm zu helfen, oder ich kann es bleiben lassen. Die Wahl liegt bei mir .
    Sobald mir diese Worte durch den Kopf gehen, ängstigt mich das Rauschen des Blutes in meinen Ohren nicht mehr. Die Panik ist verflogen. Die Wahl liegt bei mir. Ich kann es schaffen.
    Ich schaue mich um und erblicke eine weitere Möwe, die auf dem Felsen sitzt, auf dem ich Faro zum ersten Mal gesehen habe. Die Möwe beugt sich vor und starrt uns an, streckt den Nacken und öffnet den Schnabel – so wie Möwen es eben tun, wenn sie ihr Territorium verteidigen wollen. Doch diesmal verstehe ich sie sofort.
    »Jetzt!«, schreit die Möwe. »Nach Indigo, sofort!«

Einundzwanzigstes Kapitel

    I ndigo ist wütend. Das wird uns bewusst, sobald wir unter der Wasserhaut sind. Als der Schmerz, in Indigo eingedrungen zu sein, so weit nachlässt, dass wir unsere Umgebung zur Kenntnis nehmen können. Strömungen winden sich wie Schlangen in alle Richtungen. Das Meer kocht und brodelt. Spiralförmig lassen wir uns nach unten sinken, während wir in den weißen Sand gehüllt werden, den der Unterwassersturm aufwirbelt. Der Zorn des Meeres packt uns und wirbelt uns vor sich her wie Blätter im Wind.
    »Pass auf die Felsen auf!«, schreit Conor.
    Wir werden den schwarzen Felsen entgegengespült, die den Eingang der Bucht markieren. Indigo kann uns nicht ertränken, aber es kennt andere Wege, um uns endgültig loszuwerden.
    »Tut uns nicht weh«, murmele ich vor mich hin. »Wir sind nicht mit bösen Absichten gekommen.«
    Die heimtückischen Spitzen der Steine schießen in weniger als einem Meter Entfernung an uns vorbei. Diesmal hat uns Indigo noch entkommen lassen. Wie in einer Achterbahn werden wir von einer Strömung herumgewirbelt und nach unten gezogen, immer tiefer und tiefer, bis sie uns plötzlich wieder ausspuckt.
    Wir müssen schwimmen. Ich spähe durch das aufgewühlte Wasser und versuche, die Bawns zu erkennen. Oder
hat uns die Strömung schon an dem Riff vorbeigetragen? Das dunkle Wasser ist so ungestüm, dass ich nicht weiß, ob ich dagegen anschwimmen kann. Ich strampele mit aller Kraft, doch es ist, als strampelte ich im Traum. Conor zerrt an meinem Handgelenk.
    »Saph, bist du okay?«
    Ich drehe mich zu ihm. »Mir geht’s gut«, will ich sagen, als ich bemerke, dass mit Conor irgendetwas nicht stimmt. Um Augen und Mund haben sich blaue Schatten gebildet, sein Gesicht ist schmerzverzerrt. Seine Beine bewegen sich kaum noch. Doch Conor ist ein glänzender Schwimmer, viel besser als ich. Was ist los mit ihm? Warum schwimmt er nicht?
    Dann weiß ich plötzlich, was los ist. Conor bekommt nicht genug Sauerstoff. Indigo lässt es nicht zu. Er bekommt ein wenig Sauerstoff von mir, doch

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