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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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ein wildes, übermütiges Spiel. Wir drehen uns im Kreis, hechten nach unten und werden emporgetragen. Es ist wie Bodysurfing, nur tausendmal besser, weil wir ein Teil der Wellen sind und uns überall frei bewegen können. Es ist wie das Surfen in einer Welt, deren Wellen niemals brechen.
    »Roger!«, ruft Conor, während er mit Faro auf einem Wasserwirbel dahinschießt. »Wir dürfen Roger nicht vergessen. «
    »Roger? Wer ist Roger?«, fragt Faro mit samtweicher Stimme. Doch ich weiß, dass er die Frage nur zum Schein stellt. Er weiß genau, wer Roger ist.
    »Ein Taucher. Ich habe dir von ihm erzählt. Aber er will euch nichts Böses. Er ist sich nur nicht über die Konsequenzen im Klaren.«
    »Jetzt redest du wieder in Luftsprache zu mir«, sagt Faro, dessen Schwanzflosse mit einem heftigen Schlag das Wasser aufschäumen lässt. »Aber es war keine Luftsprache, die
mich hierher gebracht hat. Wenn ich mich an unsere Vorfahren erinnere, dann musst du es auch tun.«
    »Ich erinnere mich an sie.«
    »Du erinnerst dich, wenn es dir passt, Sapphire. Wenn du sie brauchst. Nicht wenn Indigo dich braucht. Dein Kopf ist voller Luftgedanken.«
    »Würdet ihr bitte aufhören zu streiten?«, mischt sich Conor ein. »Wir müssen jetzt nahe am Riff sein.«
    »Ist schon gut, Conor«, entgegne ich rasch. »Sie würden hier nie tauchen. Das Wasser ist viel zu aufgewühlt.«
    »Aber nicht an der Oberfläche«, entgegnet Faro. »Dort oben sieht das Meer spiegelglatt aus. Man würde nie glauben, dass weiter unten ein Sturm wütet.« Er grinst mich boshaft an. »Perfekte Tauchbedingungen.«
    »Faro, das darf nicht…«
    Er fährt herum und sieht mir in die Augen. »Jetzt wirst du was erleben, meine kleine Hwoer.«
    »Ich bin nicht deine Schwester. Elvira ist deine Schwester. «
    »War doch nur eine Redewendung. Meeressprache. Schau nach vorne. Da ist das Riff.«
    Ich hätte nie gedacht, dass die Bawns ein so riesiges Gebilde sind. Das Riff türmt sich vor uns auf wie eine Gebirgskette. Was man über Wasser sieht, ist nichts, verglichen mit diesen gewaltigen Gipfeln und Tälern. Ich dachte, die Bawns bestünden nur aus ein paar Felsen, aber das war ein Luftgedanke.
    »Gleich könnt ihr was erleben«, wiederholt Faro, der uns mit sich zieht.
    Wir befinden uns jetzt auf der Rückseite des Riffs. Hier ist das Wasser ruhiger und wird von einem seltsamen Licht
durchdrungen, das an Mondlicht erinnert. Jedes Detail zeichnet sich klar ab: der leuchtend weiße Sand unter uns, der mit Muscheln und Krabbenskeletten bedeckt ist, die Oberfläche der Felsen und die hin und her flitzenden Fische.
    »Hier entlang, leise.«
    Wir schwimmen um einen wuchtigen Felsvorsprung herum, als Faro plötzlich innehält.
    »Da drüben«, sagt er.
    Im Schutze der Gebirgskette der Bawns breitet sich eine weite Sandfläche aus. Der Wind erstirbt. Das Wogen des Meeres weicht vollkommener Ruhe. Hier ist es so still wie in einem Garten am Ende eines langen Sommertages. Über dem weichen, leuchtenden, geriffelten Sand treiben geisterhafte Gestalten. Träume ich? Ich kneife meine Augen zusammen, gewiss, dass die unwirklichen Gestalten verschwunden sein werden, wenn ich sie wieder öffne. Doch sie sind immer noch da. Gekrümmt, gebeugt, das Haar so silbrig wie der Sand, ruhen oder treiben sie im stillen Wasser.
    »Das sind unsere Weisen«, sagt Faro. »Sie werden bald sterben.«
    In diesem Moment sehe ich, wie die silberne Haarlocke einer Gestalt von einer sanften Strömung angehoben wird, bevor sie auf die gebeugte Schulter zurückfällt.
    »Nichts schmerzt sie, nichts erreicht sie mehr«, sagt Faro. »Schau, da vorne. Die Robben passen auf sie auf.«
    Es ist wahr. Mächtige Graurobben schwimmen wachsam vor der Sandfläche hin und her, entlang einer unsichtbaren Grenze. Immer wieder drehen sie ihre Köpfe, um das Wasser und die Felsenkette abzusuchen, die sich hinter uns erhebt.

    »Sie haben uns gesehen«, sagt Faro. Er hebt beide Hände mit nach außen gekehrten Handflächen, um die Robben zu grüßen. »Bis hierher können wir uns vorwagen«, fügt er hinzu, »doch wenn wir versuchten, bis zur Sandfläche vorzudringen, würden die Robben uns angreifen.«
    »Aber du bist doch ein Mer. Warum sollten sie dich angreifen? «
    »Weil ich noch nicht bereit bin zu sterben. Die Robben wissen das. Nur Mer, die gewillt sind zu sterben, dürfen die Grenze passieren. Ihre Familien begleiten sie bis hierher, aber nicht weiter.«
    »Es ist wunderschön hier«, murmelt Conor vor sich

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