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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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Saldowr weiß sehr genau, dass Ervys gegen ihn ist und versucht, die Mer auf seine Seite zu ziehen.
    »Wie ich sehe, hat sich Ervys zum Sprecher der Mer aufgeschwungen«, ist alles, was Saldowr dazu sagt. Der kühle Humor in seiner Stimme beruhigt mich ein wenig. Ervys soll ruhig denken, dass Saldowr verwundet und hilflos ist, aber da irrt er sich. Er muss sich irren.
    Nachdem Faro seinen Bericht beendet hat, spricht zunächst keiner ein Wort. Saldowr schließt die Augen und denkt intensiv nach. Wie alt und verbraucht sein Gesicht doch ist, denke ich. Unter seinen Wangenknochen sind tiefe Hohlräume. Wir heften unsere Blicke auf ihn, warten sehnsüchtig auf eine Antwort. Den angestrebten Tauschhandel habe ich noch nicht angesprochen. Irgendwie kann ich mich nicht dazu überwinden.
    In Saldowrs Höhle herrscht absolute Stille. Selbst das Brechen des Gezeitenknotens hat der friedvollen Atmosphäre, die in Jahrhunderten entstanden sein muss, kaum etwas anhaben können. Dies ist Saldowrs Reich, ganz gleich, wie geschwächt er sein mag. Die Gezeiten sind wieder gebändigt und werden vom Schlussstein kontrolliert.
    »Gegen die Macht des Kraken ist kein Kraut gewachsen«, sagt Saldowr schließlich, indem er die Augen öffnet. Conor runzelt enttäuscht die Stirn. »Aber wir können doch nicht tatenlos zusehen …«
    »Davon ist auch nicht die Rede. Doch selbst wenn es uns gelingt, den Kraken wieder zum Schlafen zu bringen, werden wir sein Wesen doch niemals ändern können. Er ist nicht fähig, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, so wie ihr. Sein Verhalten scheint sich zu ändern, doch seine Natur ist unveränderlich – das ist die Tragödie des Kraken.«
    Soll ich jetzt auch noch den Kraken bemitleiden? Nein danke! »Das ist ja auch alles, was wir wollen, nicht wahr?«, sage ich. »Wir wollen ihn wieder zum Schlafen bringen. Solange er schläft, kann er kein Unheil anrichten.«
    Saldowr lächelt matt. »Du hast recht. Ich sprach vom Bösen, das niemals endgültig besiegt werden kann. Und du redest aus sehr verständlichen Gründen über die gegenwärtige Krise. Bist du entschlossen, in die Tiefe vorzudringen, myrgh kerenza , nach allem, was du von ihr weißt?«
    Jetzt ist der Moment gekommen. Jetzt muss ich den Handel vorschlagen. Doch stattdessen blicke ich schweigend in Saldowrs Augen. Ich denke nicht mehr an Dad. Ein anderes Bild schiebt sich in mein Bewusstsein. Das Bild einer Mer-Frau, die ein Kind in den Armen hält. Sie schluchzt so heftig, als würde ihr Herz brechen. Ich kann ihr Gesicht nicht erkennen, weil es von ihren wogenden Haaren verdeckt wird. Das Kind sieht verwirrt aus und liebkost das Gesicht der Mutter, um sie zu beruhigen.
    Dann höre ich mich sagen: »Ja, Saldowr.«
    »Gut.« Seine Augen leuchten, und ich habe den plötzlichen Verdacht, dass er bereits alles über den Handel weiß, der mir vorschwebt.
    »Aber, Saldowr …«
    »Ja?«
    »Es ist doch meine freie Entscheidung, nicht wahr? Ich muss nicht gehen, wenn ich nicht will.«
    »Niemand kann dich zwingen, mein Kind. Auch nicht Ervys mit all seinen Gefolgsleuten.«
    »Aber du wirst gehen, Sapphy«, mischt sich Faro ein. »In deinem Herzen bist du eine Mer. Du willst uns helfen. Du wirst es nicht zulassen, dass ein Kind …«
    Saldowrs Brauen runzeln sich unmerklich, aber genug, um Faro zum Schweigen zu bringen.
    »Es war deine freie Entscheidung«, antwortet er mir.
    Ich atme tief durch. Jetzt, da ich zugestimmt habe, kann ich sagen, was ich sagen wollte. Es ist kein Deal, sondern die Wahrheit. »Aber mein Vater hat sich nie frei entscheiden können, Saldowr. Er wird gezwungen, in Indigo zu bleiben. Die Mer sagen, dass es gegen ihre Gesetze verstößt, ihn fortzulassen. Aber warum ist das so? Wenn ich mich aus freien Stücken entscheide, den Mer zu helfen, dann muss mein Vater sich auch frei entscheiden können, ob er hierbleiben will oder nicht.«
    Conor gleitet an meine Seite, um mich zu unterstützen. »Das ist kein Handel, Saldowr. Wir wollen die Mer nicht erpressen. Doch unser Vater ist nach Indigo gegangen und hat nie die Chance zu einer Rückkehr bekommen. Ich glaube nicht, dass er sich über die Konsequenzen klar war, als er von Mellinas Gesang nach Indigo gelockt wurde. Wenn Sapphire und ich freiwillig unser Leben aufs Spiel setzen, um den Mer zu helfen, dann muss auch unser Vater sich frei entscheiden können. Sonst ist er nichts anderes als ein … Gefangener.«
    »Für mich hört sich das doch sehr nach einem Handel an«, sagt

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