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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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wäre, die Tochter eines Wals zu sein. Natürlich würde ich Mum vermissen , denke ich rasch und habe ein schlechtes Gewissen. Die Erinnerung an Mum ist nur sehr vage, wie üblich, wenn ich in Indigo bin. Sogar Sadie, mein Liebling, kommt mir weit weg vor. Ich kann mich nicht mal genau daran erinnern, wie es sich anhört, wenn sie bellt. Ich weiß, dass ich sie liebe, kann das Gefühl aber nicht aktivieren.
    Wir bewegen uns jetzt schneller und sind nahe an der Oberfläche. Ich schmiege mich so eng an die Haut wie ich kann. Ich blicke nicht mehr zur Seite, aus Angst, bei der kleinsten Bewegung vom Wasser fortgerissen zu werden.
    Plötzlich verliert der riesige Körper der Walmutter an Geschwindigkeit und durchbricht im nächsten Moment die Wasseroberfläche. Sie schaukelt hin und her und kommt kaum noch vorwärts. Dann bläst sie. Ich spüre die Vibration ihres Körpers und habe das Bild einer mächtigen Fontäne vor Augen, die aus ihrem Blasloch nach oben schießt. Ich frage mich, wo wir sind. Bestimmt weit von der Küste entfernt. Vielleicht ist ja irgendein Fischer in der Nähe, der die Fontäne beobachtet hat. Dad sagte immer, das sei ein Anblick, der einem den Atem raubt.
    Es ist die enorme Kraft dieser Tiere, Sapphy. Wir sind nichts im Vergleich zu ihnen. Es ist etwas Herrliches, draußen auf dem Meer zu sein und zu beobachten, wie ein Wal auftaucht und bläst. Wir fahren mal zusammen zu den Scilly-Inseln und halten nach Walen Ausschau.
    Der Fischer geht davon aus, noch weitere Wale zu sehen, weil Pottwale in Herden leben, doch mein Wal ist allein, immer allein.
    Dad und ich haben diesen Ausflug nie unternommen. Haben keine Zeit dafür gefunden.
    Der Wal sammelt Luft für die Reise. Sie redet jetzt nicht mehr. Wie sollte sie jetzt auch an Konversation denken, wenn sie sich darauf vorbereitet, Hunderte, vielleicht Tausende von Metern in die Tiefe zu tauchen. Ich lege mein Gesicht an ihre raue, runzelige Haut. Tauch gut, lieber Wal. Tauch tief.
    So müssen sich Astronauten fühlen, wenn sie, festgeschnallt auf ihren Sitzen, auf den Countdown warten. Zur Umkehr ist es zu spät. Alle Ausgänge sind verschlossen, alle Zuschauer warten und hoffen.
    Indigo schaut, wartet und hofft. Mein Magen zieht sich zusammen. Zur Umkehr ist es zu spät. Viel zu spät. Ich frage mich, ob uns irgendwelche Mer gefolgt sind, um unseren Start aus sicherer Entfernung zu beobachten.
    Elvira ist mit Sicherheit nicht unter ihnen. Sie ist bei Saldowr geblieben und versucht, seine Wunde zu heilen. Sie hat uns alle umarmt, ehe wir uns auf den Weg gemacht haben. Sogar mich. Elvira hat eines dieser Gesichter, die aus der Nähe betrachtet noch schöner aussehen. Sie hat die Arme um mich geschlungen, als läge ihr wirklich etwas an mir. Eine Minute lang vergaß ich völlig meine Eifersucht, bis sie Conor mit ihren wunderschönen langen Mer-Armen an sich zog. So standen sie ewig da und murmelten, bis Saldowr schließlich sagte, dass es an der Zeit sei.
    Astronauten müssen große Angst haben. Ich vermute, dass sie ihre Angst wegen der Fernsehkameras verbergen. Nein, wahrscheinlich wollen sie nicht, dass die anderen Astronauten ihre Angst sehen. Conor, Faro und ich haben sie jedenfalls voreinander verborgen. Ich wünschte, ich könnte auf dem Weg nach unten bei ihnen sein, aber das ist unmöglich. Der Wal muss den direkten Weg in die Tiefe nehmen. Wären wir alle drei auf einer Seite, würde sie das aus dem Gleichgewicht bringen. Conor muss bei Faro sein, sicherheitshalber.
    Ich versuche, mein Bewusstsein zu öffnen und Faros Gedanken zu lesen, doch der mächtige Körper des Wals ist zwischen uns, und so kann ich nichts wahrnehmen. Ich hoffe, mit ihm und Conor ist alles in Ordnung. Sie kennen den Wal nicht so gut wie ich, doch spüren sie bestimmt, dass er es gut mit ihnen meint.
    Ein Energiestoß geht durch den Körper des Wals. Was geschieht da? Ich will das nicht! Ich will weg. Ich will nach Hause.
    Du musst tapfer sein, Sapphire. Sei tapfer.
    Wahrscheinlich ist es meine eigene Stimme, doch sie beruhigt mich. Das heiße Pochen in meinem Kopf lässt nach. Ich entspanne mich im Schutz der Seitenflosse. Versuche, ganz mit ihrer rauen Oberfläche zu verschmelzen, so wie ich einst mit dem Rücken des Delfins verschmolz. Sie macht sich bereit …
    Ein mächtiges Zittern wandert durch ihren Körper. Sie hält einen Moment inne, dann werde ich kopfüber in die Tiefe gezogen. Eingeklemmt zwischen der Flosse und ihrem Rumpf schieße ich hinab. Die Welt

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