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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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Sonne liegt. Ich halte in der Bewegung inne. Kreuzottern tun einem nichts, solange man nicht auf sie drauftritt oder sie in die Enge treibt. Dieses Exemplar sieht sehr entspannt und friedfertig aus. Es muss wundervoll sein, die Wärme der Sonne in sich aufzunehmen, nachdem man einen langen Winter unter der Erde verbracht hat. Ich suche den Steinkreis nach weiteren Schlangen ab. Und richtig, am Fuße eines anderen Hinkelsteins, der in Richtung Süden steht, hat sich eine weitere Schlange lose zusammengerollt.
    Ich weiß, dass die Kreuzottern mir nichts tun, solange ich sie nicht erschrecke. Dennoch geht ein Schauder durch mich hindurch. Früher haben die Leute sie erschlagen, über einen Stock gehängt und in den nächsten Pub getragen.
    Sadie hat die Ohren aufgestellt und den Körper angespannt. Ein leises Knurren dringt aus ihrer Kehle.
    »Nein, Sadie, lass die Schlangen in Ruhe. Komm her, die könnten dir ziemlich wehtun.«
    Aber Sadie hört nicht auf zu knurren. Sie wittert eine Gefahr und ist fest entschlossen, mich zu beschützen. Ich knie mich hin und schlinge die Arme um ihren Hals, nehme den Geruch ihres warmen Fells in mich auf. »Ist schon gut, Sadie. Ist schon gut.«
    Eine Hand legt sich auf meine Schulter. Ich drehe mich um und sehe Granny Carne. Sie trägt ihre üblichen erdfarbenen Kleider und ein Tuch, dessen leuchtend rote Farbe an Vogelbeeren erinnert.
    »Pass gut auf, wo du hintrittst, mein Mädchen«, sagt sie warnend. »Nadron ist überall um die Steine herum. Komm mit.«
    »Nadron?«
    Sie zeigt auf die Schlangen. Ich drehe mich um und gehe in ihren Fußspuren um den Steinkreis herum, bis wir den größten der drei Hinkelsteine erreichen. Zwischen dem Heidekraut sprießen struppige Grasbüschel. Granny Carne setzt sich hin. Ich mich ebenso. Sadie lässt sich neben Granny Carne nieder.
    »Ich dachte mir schon, dass du zu mir kommst«, sagt Granny Carne. »Hast du gut auf die Beeren aufgepasst, die ich dir gegeben habe?«
    Die Vogelbeeren. In einem Moment scheint es mir hundert Jahre her zu sein, dass sie mir die hellen Beeren an der dunklen Straße gegeben hat. Im nächsten Moment scheinen es nur fünf Minuten gewesen zu sein. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie sie in meiner Tasche gebrannt haben.
    »Ich habe sie nicht mehr«, beginne ich. Granny Carne nickt mir ermutigend zu. Hier ist es warm und friedlich. Ich vertraue Granny Carne. Während die Bienen summen und die Schlangen sich sonnen, beginne ich damit, ihr die ganze Geschichte zu erzählen – zunächst langsam, dann immer schneller, bis alles aus mir heraussprudelt, als würde die Flut sich schäumend über die Felsen ergießen.
    *
    »Pass auf deinen Fuß auf, mein Mädchen«, sagt Granny Carne, als ich aufgehört habe zu reden.
    Ich senke den Blick. Eine Schlange hat sich vor meinen Füßen zusammengerollt, berührt fast meinen Turnschuh. Sadie stößt ein leises Knurren aus, doch Granny Carne bringt sie zum Schweigen. »Wie ich schon sagte, Nadron ist überall hier um die Steine herum. Macht keine ruckartigen Bewegungen und sitzt ganz still, das gilt für euch beide.«
    Granny Carne pfeift sanft, dann ein wenig lauter. Die Schlange ringelt sich auseinander und gleitet durch das Heidekraut davon.
    »Du warst also in der Tiefe, mein Mädchen, und hast deren Wesen begriffen. Ich will dir etwas zeigen. Halt den Hund dicht bei dir.«
    Granny Carne. Sie wirkt größer denn je, als sie ihre rechte Hand hebt und an den Hinkelstein schlägt, als klopfe sie an eine Tür. Tief in der Erde glaube ich ein Echo zu hören. Granny Carne lauscht. Wir können jetzt eintreten«, sagt sie. »Geht hinter mir. Und bleibt in meinem Schatten.«
    Sie geht zum Rand des Steinkreises. Will ihn betreten.
    »Aber, Granny Carne, ich kann nicht!«
    »Doch, du kannst, mein Mädchen, wenn du bei mir bist.«
    Als wir in den Steinkreis eindringen, habe ich das Gefühl, einen unsichtbaren Raum zu betreten. Die Luft verändert sich und wird kälter, obwohl die Sonne unverändert stark ist. Granny Carnes Schatten fällt scharf über mich und Sadie. Die Geräusche verdichten sich. Man hört Hammerschläge wie aus einer Schmiede. Klirrendes Metall. Das Kreischen eines Sägeblatts, das geschärft wird. Zischenden Dampf. Ich höre ein dumpfes Stimmengewirr. Granny Carne schiebt etwas beiseite, das ich nicht sehen kann.
    »So viel Zeit ist hier gefangen«, sagt sie. »Am besten, man nimmt keine Notiz davon.«
    Mir ist kalt. Ich glaube, ich habe auch Angst, doch bin ich

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