Nixenjagd
gerade dabei sind: Warum sollte Paul Katrin umbringen?« »Was weiß ich? Vielleicht ist da im Zelt was schiefgelaufen. Vielleicht hat er versagt und sie hat ihn ausgelacht. Oder sie hat gedroht, allen zu verraten, dass er impotent ist. Oder dass er einen klitzekleinen Schwanz hat.« Franziska verspürte das unwiderstehliche Bedürfnis, Oliver eine zu kleben. So wie früher. Franziska war immer einen halben Kopf größer und kräftiger gewesen als der zarte Oliver. Erst im neunten Schuljahr war er in die Höhe geschossen und nun überragte er sie um einen halben Kopf. Obwohl Oliver einen Monat älter war als Franziska, hatte sie sich schon im Sandkasten wie seine ältere Schwester gefühlt. Und ältere Schwestern mussten hin und wieder durchgreifen. Nach einer Ohrfeige oder einer Kopfnuss war Klein Oliver stets wieder umgänglich gewesen. Die letzte Züchtigung dieser Art datierte jedoch zurück in die fünfte Klasse. Ein Fehler, dachte Franziska nun. »Auf so was Saudummes kann nur ein Kerl kommen«, schnaubte sie und trat heftig in die Pedale. Oliver holte sie ein. »Ansonsten hättest du ein prima Motiv« , rief er ihr zu . »Ich? « »Eifersucht. Der Klassiker. « »Spinnst du jetzt komplett? « »Ach, komm! Das hat doch jeder gesehen, wie mies du drau f warst, nachdem Katrin sich mit Paul verkrümelt hatte. « »Selbst wenn es so wäre – deswegen bringe ich niemanden um. « »Das glaube ich dir sogar. Aber ein Motiv ist es. Und ich wette , die Bullen werden dich das auch fragen«, prophezeite Oliver . Möglicherweise hat er recht, dachte Franziska erschrocken . Sie presste die Lippen zusammen und krampfte die Hände u m den Lenker. Zum Glück waren sie schon an der Einmündung z u ihrer Straße angekommen . »Wir sollten uns nicht gegenseitig verrückt machen«, sagt e Franziska wieder beherrscht, als sie vor ihrem Haus anhielten . Oliver grinste sie versöhnlich an. »Du hast recht. Tut mir leid , was ich gesagt habe. Irgendwie sind zurzeit alle durchgeknallt. « »Ciao«, sagte Franziska und schob ihr Fahrrad durch das Gartentor . »Ciao«, sagte Oliver und Franziska dachte: Er ist der einzig e Freund, den ich jetzt noch habe .
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»Katrin war also deine Freundin.« Die Kommissarin sa h Franziska freundlich an. Sie war Anfang dreißig, höchstens. Si e trug Jeans zu einer weißen Bluse, ihre langen blonden Haar e waren locker aufgesteckt. Recht attraktiv für eine Polizistin , fand Franziska .
»Ja. « »Ihr habt euch alles erzählt, nehme ich an. « Franziska schüttelte den Kopf. »Alles bestimmt nicht. « »Nein?«, fragte Petra Gerres ungläubig . »Nein. Ihre ewigen Geschichten mit irgendwelchen Jungs haben mich mit der Zeit nicht mehr interessiert. Und sie hat sic h nicht für Bücher interessiert. « »Aber ihr wart dennoch befreundet. « Jetzt, wo die Kommissarin es aussprach, wunderte sich Franziska selbst darüber. Im Grunde war Franziska nicht so recht klar , warum Katrin seit dem Eintritt ins Gymnasium mit ihr befreundet war. Sie hörten dieselbe Musik und waren früher zusamme n reiten gegangen, ehe Katrin die Pferde durch Jungs ersetzt hatte. Das war aber auch schon alles . »Was meinst du – darf ich überhaupt Du sagen . . .?« Franzisk a nickte. »Was meinst du mit ihren ewigen Geschichten mit Jungs? « Na, bestens! Jetzt stelle ich meine tote Freundin auch noch al s Schlampe hin, dachte Franziska entsetzt über sich selbst . »Sie war halt hübsch und hatte viele Verehrer.« Das altmodische Wort erschien Franziska unpassend, aber was hätte sie sagen sollen? Dass Katrin im Umgang mit dem anderen Geschlecht nicht allzu wählerisch gewesen war ? »Kennst du welche? « Die Kommissarin war noch immer freundlich, aber ihr Blic k hatte etwas Forderndes bekommen . »Ihr letzter Freund war Robert Walther aus der Elften«, murmelte Franziska . »Hatten die beiden an dem Abend Schluss gemacht? « »Nein. Schon drei Wochen vorher. « »Drei Wochen«, wiederholte Petra und dachte: Also kurz nachdem Paul Römer in die Klasse gekommen war .
»Du bist in der Nacht auch geschwommen? « »Ja. « »Hast du Katrin im Wasser gesehen? « »Nur, wie sie rausgeschwommen ist. Ich bin in der Nähe vo m Ufer geblieben. « »Warum? « »Weil die anderen auch da waren. Außerdem war mir der dunkle See unheimlich. Aber Katrin . . . Katrin ist...war... noc h nie ängstlich. Sie schwamm gerne. Sie war im Schwimmen di e Klassenbeste. « »Hat sie dich nicht gefragt, ob du mit rausschwimmen willst? « Franziska
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