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Nixenjagd

Nixenjagd

Titel: Nixenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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sein«, sagte er. Franziska lächelte glücklich. Wieder war es eine Weile still zwischen ihnen, dann sagte Paul unvermittelt: »Es war furchtbar, das mit meinem Vater. Zuerst wollten sie es vor Alexandra und mir verheimlichen. Aber wir haben sehr schnell gemerkt, dass da irgendetwas nicht mehr so ist wie früher. Eine Zeit lang dachte ich, sie wollen sich scheiden lassen. Meine Mutter hatte immer Ringe unter den Augen, vom Heulen, und mein Vater... Dann haben sie es uns gesagt.« Paul unterbrach sich. Das Weiterreden fiel ihm sichtlich schwer. »Manchmal habe ich mir gewünscht, dass, wenn er schon sterben musste, es plötzlich und überraschend geschehen sollte. Ein Unfall oder ein Herzinfarkt. Alles, nur nicht dieses schreckliche halbe Jahr, in dem der Countdown lief. Jeder Tag, der verging, brachte ihn dem Tod einen großen Schritt näher. Diesen Gedanken hatte ich von morgens bis abends. Wir mussten ihm beim Sterben zusehen und konnten nichts tun. Er fing an abzunehmen. Er konnte nicht mehr zur Arbeit gehen. Eine Woche vor seinem Tod erst ist er in die Klinik gekommen. Ich musste ihm versprechen, auf die anderen beiden aufzupassen. ›Du bist jetzt der einzige Mann im Haus‹, hat er gesagt. Ich tu seitdem, was ich kann, aber ich kann ihn nicht ersetzen. Wie sollte das gehen? Er war so...so präsent, so lebensfroh. Er war der Mittelpunkt der Familie, obwohl er viel weniger zu Hause war als meine Mutter. Meine Schwester war immer ein Papakind, sie hat das bis heute nicht verkraftet. Deshalb ist sie manchmal so mürrisch und verschlossen. Wir haben jetzt nur noch uns.« Franziska sagte nichts, sie verstärkte nur den Druck auf seine Hand. »Ich habe das noch nie jemandem erzählt«, sagte Paul leise. »Bis auf...« Hinter ihnen knackte etwas. Beide fuhren herum. Paul ließ reflexartig ihre Hand los. In den Büschen, die den Garten zur Straße hin abgrenzten, raschelte es. Bruno, der unter dem Sonnenschirm im Gras gelegen hatte, sprang auf und verschwand kläffend im Gebüsch.
    »Was war das?«, fragte Paul, den Blick auf das Dickicht gerichtet. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich eine Katze, so wie Bruno sich aufführt«, sagte Franziska und rief den Hund zur Ordnung. Sie wandten sich wieder einander zu. Wir hätten doch in mein Zimmer gehen sollen, dachte Franziska. Hier draußen fühlte sie sich plötzlich befangen. Paul wirkte angespannt. Der vertrauliche Moment war vorüber. Nervös zuckte er bei jedem Geräusch zusammen und drehte sich um. Fürchtete er, beobachtet zu werden? Möglich wäre das, dachte Franziska, aber warum sollte jemand sie beide im Garten beobachten? Und vor allen Dingen: Wer? Oliver? Vielleicht hatte er Paul kommen sehen. Aber sie konnte sich Oliver beim besten Willen nicht eifersüchtig hinter Büschen lauernd vorstellen. Vielleicht sollte sie Paul von der SMS und den seltsamen E-Mails erzählen. Und von der Ratte. Andererseits wollte sie nicht riskieren, dass er sich dann womöglich wieder von ihr zurückzog. Eine verkrampfte Viertelstunde später stand Paul auf. »Ich geh dann mal wieder.« »Schon?« »Ich muss noch lernen«, behauptete Paul und verabschiedete sich mit einem förmlichen Handschlag von Franziska. Die sah ihm enttäuscht nach. Dann räumte sie die Gläser weg und klappte den Sonnenschirm zu. Alleine hatte sie keine Lust mehr, draußen zu bleiben. Sie las eine Weile in ihrem Zimmer. Ihr Handy klingelte. »Ja?« Nichts war zu hören. »Hallo? Wer ist da?« Jemand atmete. Ein röchelnder Atem. Franziska bekam unweigerlich eine Gänsehaut. »Wer ist denn da?«, rief sie.
    Jemand zischte: »Du dreckiges Miststück.« Danach wurde aufgelegt. Franziska warf das Telefon angewidert aufs Bett. Sie fror. Als sie den Wagen ihrer Mutter vorfahren hörte, war sie erleichtert, nicht mehr allein im Haus zu sein.

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    Die Morgensonne schien durch das staubige Fenster auf die Akte des Falles Katrin Pankau, den die Staatsanwältin vor sich auf dem Tisch liegen hatte. Die »Akte« war nun viel umfangreicher als vor den Ferien, genau genommen, bestand sie aus sechs dicken Ordnern, was unter anderem an den Unterlagen aus Braunschweig lag. Vielleicht, dachte sie, hätte Lamprecht den Fall doch zur Chefsache machen sollen, anstatt ihn dieser Oberkommissarin Petra Gerres zu überlassen. Nein, du bist ungerecht, tadelte sie sich selbst. Du hast bisher nur Gutes über die Gerres gehört. Sie sei klug, ehrgeizig, gründlich und hartnäckig. »Ein Terrier«, hatte der Erste Hauptkommissar Udo Lamprecht

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