Nixenmagier
»was ich im Moment für dich tun kann. Du musst noch einen weiteren Heiler aufsuchen, um die Wunde nähen zu lassen, aber ich denke, du hast genug Kraft, um zu Saldowr zu schwimmen. «
»Wirst du uns begleiten?«
»Ja.«
Achtzehntes Kapitel
D ie Wälder von Aleph sehen aus, als hätte ein Orkan sie verwüstet. Riesige Bäume wurden entwurzelt und Felsblöcke auseinandergesprengt, weißer Sand türmt sich zu großen Haufen. Wir kämpfen uns durch ein Gewirr von Seegras hindurch, das vom Meeresgrund losgerissen wurde. Alles ist trübe und schlammig. Was einst wunderschön war, sieht aus wie ein sterbender Ort, nicht weniger verwüstet als St. Pirans.
Zumindest bin ich froh darüber, dass die Haie verschwunden sind. Ich hatte solche Angst, als uns die Strömung in die Nähe der Wälder spülte. Saldowr hatte uns zwar versichert, dass die Haie uns wiedererkennen würden und keine Gefahr von ihnen ausginge, doch habe ich zu oft gehört, dass Haie das Blut ihrer Opfer kilometerweit wittern können. Ich fürchtete, sie könnten mich wegen meiner Wunde angreifen. Und die anderen fürchteten offenbar dasselbe, weil sie mich schützend in ihre Mitte nahmen.
Doch unsere Sorge war überflüssig. Wir entdecken nicht das geringste Lebenszeichen, als wir die Strömung verlassen und dorthin schwimmen, wo sich der Gezeitenknoten befand. Es herrscht eine gespenstische Stille. Ein grauer, kalter Morgen dämmert fahl durch das Wasser.
Wir sind nicht einmal ganz sicher, dass wir uns wirklich in der Nähe von Saldowrs Höhle befinden. Denn die Landschaft
hat sich verändert. Auch Faro, der die lange Zeit seiner Genesung in der Höhle verbracht hat, findet sich kaum zurecht. Felsbrocken liegen im Sand begraben, als wäre ein Wirbelsturm über sie hinweggefegt. Derselbe Wirbelsturm hat eine lange Reihe scharfkantiger Felsen freigelegt, deren Zacken und Scharten uns in Stücke reißen könnten.
»Wo ist Saldowr, Faro? Spürst du seine Nähe?«
Faro runzelt die Stirn. »Er weiß, dass wir hier sind. Warte.«
Und dann sehen wir ihn. Er muss uns schon die ganze Zeit lang beobachtet haben. Er befindet sich im Schatten des einzigen verbliebenen Baumes, eingehüllt in seinen Umhang, als müsse er sich vor einem eisigen Wind schützen.
»Saldowr!«
»Ja«, sagt er, indem er uns langsam entgegenschwimmt, als bereite ihm die Bewegung Schwierigkeiten. »Ich war es, der euch gerufen hat. Aber das wisst ihr ja. Vielleicht hätte ich das nicht tun dürfen, doch mir blieb keine andere Wahl.«
Als ich ihn ansehe, denke ich zunächst, seine Kraft sei geschwunden, doch ein Blick in seine Augen belehrt mich eines Besseren. Seine Kraft ist immer noch da, nur liegt sie jetzt tief in ihm verborgen. Sein wunderschöner Umhang ist zerfetzt, als hätte ein wildes Tier ihn zerrissen. Dunkle Ringe unter den Augen zeugen von seiner Erschöpfung. »Die Gezeiten haben alles zerstört, indem sie sich selbst befreiten«, sagt er. »Nur mit viel Glück habe ich überlebt. «
»Sind die Haie tot?«, frage ich rasch.
»Die Gezeiten haben sie mit sich fortgetragen. Schwer zu
sagen, ob sie noch am Leben sind. Sie wollten weiter ihre Pflicht erfüllen und weigerten sich zu fliehen, selbst nachdem ich ihnen gesagt hatte, dass ich den Gezeitenknoten nicht mehr länger kontrollieren könne.«
Conor und ich tauschen Blicke. Wir können Saldowrs Besorgnis über das Schicksal der Haie nicht unbedingt teilen.
»Was … was ist mit dem Gezeitenknoten passiert?«
»Seht es euch selbst an.«
Er schwimmt voraus und wir folgen ihm. Schon nach einer kurzen Strecke hält er an und zeigt nach vorne. »Siehst du meine Höhle, Faro?«
Aber es ist keine Höhle zu sehen. Vor ihrem Eingang türmt sich der Sand. Nicht einmal die kleinsten Fische könnten in sie eindringen. Doch wenn dies Saldowrs Höhle ist, muss sich ganz in der Nähe, auf dem Meeresgrund, der Mund der Gezeiten befinden.
»Du hast recht«, sagt er, als könne er meine Gedanken lesen. »Der Mund der Gezeiten ist immer noch da, auch wenn die Gezeiten verschwunden sind. Kommt.«
Conor und Elvira befinden sich auf der einen, Faro und ich auf der anderen Seite von Saldowr. Er taucht zum Meeresgrund, wie er es schon früher getan hat. Sand wirbelt auf und trübt das Wasser. Doch diesmal muss er keinen schweren Stein hochheben. Es gibt nur eine klaffende Öffnung, den Mund der Gezeiten. Kein bläuliches Licht, keine sich schlängelnden Wasserstränge, funkelnd wie Juwelen. Der Mund der Gezeiten ist leer. Die
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