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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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entgegentreiben, durch Türen hindurchziehen und in fremden Häusern einschließen wollen. Es erfordert meine ganze Kraft, gegen die Strömung anzuschwimmen. Faro taucht, doch Conor und ich schwimmen an der Oberfläche. Ich weiß nicht, ob ich mich trauen soll zu tauchen. Ist dies Indigo,
oder nicht? Freund oder Feind? Im Moment sieht es mir eher nach einem Feind aus, der die Stadt überfallen und erobert hat.
    Auf einem umgedrehten Tisch treibt eine Katze vorbei, sie macht einen Buckel, ihr nasses Fell klebt am Körper.
    »Oh, Conor, schau dir die Katze an! Können wir sie nicht retten?«
    »Nein«, antwortet Conor knapp.
    Ich habe noch nie so starkes Mondlicht erlebt. Es verleiht allem eine unwirkliche Atmosphäre, doch das erbärmliche Maunzen der Katze ist nur allzu real. Während sie vorübertreibt, starrt sie uns an, als wolle sie fragen, warum wir ihr nicht helfen.
    Conor und ich schwimmen dicht nebeneinander her. Ich habe Angst, ihn im Chaos der umhertreibenden Gegenstände aus den Augen zu verlieren. In solch einem Wasser bin ich noch nie geschwommen. Möbelstücke, Verkehrspoller, Äpfel, Windeln, Plastiktüten, durchnässte Pflanzen und Blumen wirbeln um uns herum. In der Ferne sehen wir ein halb mit Wasser gefülltes Auto, das sich langsam im Kreis dreht. In diesem Moment taucht Faros Gesicht neben mir auf. »Tauch, Sapphire! Sonst wird dich das Auto treffen.«
    Uns bleibt keine Wahl. Zu dritt senken wir unsere Köpfe ins trübe Wasser und versuchen möglichst rasch Tiefe zu gewinnen. Dann drehen wir uns auf den Rücken und sehen das Auto über unseren Köpfen wie einen Hai vorüberziehen, dessen Silhouette sich im Mondlicht abzeichnet.
    »Schwimm weiter!«, kommandiert Faro mit Schärfe.
    Die Dinge geschehen einfach zu schnell. Häuser tauchen zu beiden Seiten vor uns auf, die Fenster wie starrende Augen. Wo sind all die Leute geblieben? Was ist mit ihnen
geschehen? Alles erinnert mich an die verlassene Insel, die Faro mir gezeigt hat. Ich hätte nie geglaubt, dass mit St. Pirans dasselbe geschehen könnte. Das Wasser stößt uns wie eine riesige Hand nach vorne, als wir versuchen, auf eine andere Straße abzubiegen.
    »Wir müssen weiter nach unten«, sagt Faro angespannt, »sonst entkommen wir der Strömung nicht.«
    Wir tauchen noch tiefer. Die Strömung wird schwächer, doch als ich schon glaube, mich ganz aus ihrer Gewalt befreit zu haben, reißt sie mich von den anderen fort und schleudert mich brutal gegen eine Granitmauer. Der Schmerz ist so stechend, dass ich aufschreie. Conor packt meine Hand und zieht mich in ruhigere Gewässer.
    »Alles in Ordnung, Saph?«
    Ich kann nicht sprechen. Faro und Conor stützen mich auf beiden Seiten.
    »Wie geht es dir? Sag doch was, Saph!«
    Mit größter Willensanstrengung bekomme ich ein paar Worte heraus: »Geht schon … Knie verletzt.«
    »Ich kann nichts sehen. Blutest du?«
    »Glaub schon.«
    »Ist was gebrochen?«
    Vorsichtig bewege ich mein Bein. Es schmerzt, doch nicht so, wie ich mir die Schmerzen bei einem gebrochenen Bein vorstelle.
    »Willst du zurück?«, fragt Conor.
    »Saldowr hat mich beauftragt, euch beide zu holen«, schaltet sich Faro ein. »Wir können uns jetzt keine Schwäche erlauben.« Mir schießen die Tränen in die Augen, teils wegen der Schmerzen, doch vor allem wegen Faros Bemerkung.

    »Ich bin nicht schwach.«
    »Das weiß er doch«, sagt Conor und drückt meine Hand. »Jeder weiß, dass du viel aushalten kannst, Saph. Aber kannst du immer noch schwimmen? Es ist eine lange Reise.«
    »Wird schon gehen.«
    »Sicher?«
    Ich denke an Mum, Sadie und Rainbow, die schlafen, während das Wasser weiter steigt. Ob Roger inzwischen gekommen ist? Was ist mit all den anderen Leuten, deren Häuser überflutet wurden? Wird Saldowr ihnen helfen können? Werden die Gezeiten sich je wieder von ihrem Knoten kontrollieren lassen, damit das Wasser nicht ständig weiter steigt und immer größeren Schaden anrichtet? Das ist die alles entscheidende Frage. Ich kann schwimmen!
    »Halt sie am Handgelenk fest, Faro«, sagt Conor. »Ich schwimme auf ihrer anderen Seite.«
    »Aber du … du kannst doch nicht atmen, Con, wenn Faro dir nicht hilft.«
    »Mach dir deswegen keine Sorgen. Heute kommt es mir so vor, als wäre ich halb an der Luft und halb in Indigo.«
    Es ist wunderbar, sie beide an meiner Seite zu wissen, wie Bodyguards, die mich vor der Flut beschützen. Plötzlich weiß ich, wo ich bin. Wir sind bei den Häusern, die dem Strand am nächsten

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