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nmp06

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Titel: nmp06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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könne da sicher was erleben, die Veranstalter wollten endgültig das letzte Tabu begraben und vor nichts zurückschrecken. Besonders reizte mich so eine „Miß Müll“ nicht. Manchmal bin ich eben rückständig. Mich interessieren mehr die sauber gewaschenen Mädchen. Bei diesem Wettbewerb in der verräucherten Kellerluft würde meine Begleiterin bald endgültig den Kanal voll haben. An diesem Schauspiel (ich meine jetzt den Wettbewerb) durften allerdings nur geladene Gäste teilnehmen. Aber dafür hatte ich ja Henri. Er fischte sofort zwei Eintrittskarten aus seiner unerschöpflichen Schublade.
    Bevor wir das Échaudé verließen, schloß ich mich im Klo ein. Hier übergab ich der Pariser Kanalisation ein Blatt Papier, auf dem Raritäten beschrieben und abgebildet waren. Dazu eine Art Empfehlungsschreiben für Charlie Mac Gee. Diese Dokumente waren jetzt überflüssig geworden. Besser, wenn ich sie nicht mehr bei mir hatte. Zum Teufel damit!

3.

Die Nacht von Saint-Germain

    Der Weg zu dem Kellerlokal Cave-Bleue hatte so seine Tücken. Zuerst stieß man gegen die Abfalleimer, die an der Passage Dauphine auf die Müllmänner warteten. Dann stolperte man über die unregelmäßigen Pflastersteine, die den Reiz solcher Gäßchen ausmachen. Aber damit noch nicht genug. Das Schlimmste kam noch: zum Eingang des Kellers gelangen. Über einer niedrigen Tür hing ein Holzbrett zwischen zwei eigenartig geformten Laternen. Darauf war Cave-Bleue geschmiert, so chaotisch wie möglich. Vor dem Eingang drängte sich eine tierisch brüllende Menge. Als ob es nicht genügte, daß es in Strömen goß, wurde aus einem Fenster hin und wieder ein Wassereimer — wenn nicht Schlimmeres! — zur allgemeinen Erfrischung ausgeschüttet, begleitet von den kräftigen Flüchen von jemandem, der wohl gerne geschlafen hätte. Zwei sehr offenherzige Frauen aus der Neuen Welt — wahrscheinlich Zeitgenossinnen von Abraham Lincoln — hatten mit einer Ladung noch nicht genug. Sie fanden diese Einlage sehr lustig, exciting, und verlangten lauthals eine weitere Dusche. Die ließ nicht lange auf sich warten. Wie hoch mußte die Wasserrechnung der Mieter sein! Anscheinend hatte das Wasserwerk in diesem Viertel soviel Gewinn gemacht, daß die Kanalisation erneuert werden konnte — allerdings nur in anderen Arrondissements.
    Wir setzten unsere Ellbogen ein und schrien wie alle andern rum, um nicht aufzufallen. So erreichten wir bald den Eingang zum Allerheiligsten. Dort stand ein kräftiger Kerl, Typ normannischer Kleiderschrank. Sein Boxergesicht sah genauso ramponiert aus wie seine Uniformmütze. Dabei war der Gorilla gar nicht auf den Mund gefallen. Er schnappte sich mit seiner riesigen Pranke die Eintrittskarten, schubste uns mit der andern ins Innere. Hier ging’s eine schmale Treppe runter, dann folgte ein gewundender Gang, dessen feuchte Wände verdächtige Spuren auf den Schultern hinterließen. Am Ende der Reise in die Nacht gelangte man in ein großes Kellergewölbe. Die rauchgeschwängerte Luft war zum Schneiden dick. Außerdem roch es verdammt modrig. Wirklich, meiner Nase wurde heute nacht kein Fest bereitet!
    Modergeruch. Rauch. Und natürlich alles andre als leise! Sowohl an der Bar in der Ecke wie an den groben Holztischen, die in genialer Unordnung um eine Fläche für die gruppiert waren, die vom Jitterbug geschüttelt wurden, waren die Gäste zusammengepfercht: Menschen beiderlei Geschlechts und verschiedener Kategorie, vom modernen Bohemien bis zum schwerreichen Filmemacher über Starlets auf der Jagd nach einer Rolle und Touristen auf der Jagd nach unerhörten Abenteuern. Der ganze Haufen saß mit breitem oder schmalem Hinterteil auf fellbezogenen Hockern, verbrüderte sich und diskutierte lautstark. Ein unvorstellbares Tohuwabohu. Zur Vervollständigung der Atmosphäre tobte sich eine schwarzweiße Jazzformation auf einer kleinen Bühne aus. Nicht nur der Putz von der Decke, sondern das gesamte Kellergewölbe drohte runterzukommen. Den ganzen Radau übertönte eine Trompete mit einem unendlichen, schrillen Ton, der einiges Aufsehen erregte. Als der Musiker das Instrument von den Lippen nahm, klatschten einige Kenner frenetisch Beifall. Nicht zu Unrecht. Eine hübsche Einlage. Gegen den war Louis Armstrong ein Waisenknabe.
    Dann gönnte sich die Kapelle eine Atempause von etwa drei Sekunden. Grad Zeit, sich die Kehle anzufeuchten. Und sofort der nächste heiße Rhythmus, diesmal Bebop. Einige Paare stürmten auf die Tanzfläche

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