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aufgeschwemmten Gesicht urkomisch aussah.
„Dieses Schwein!“ brüllte er. „Der war ganz scharf auf blonde Frauen!“
„Sehr gut“, lobte ich. „Ich meine, für deine Gerichtsverhandlung! Mildernde Umstände, Kleiner. Anscheinend existiert auf der Grundlage von Rassenhaß so was wie Sexualneid bei den Weißen auf die Farbigen
„Verdammt nochmal!“ schimpfte Rémy Brandonnel, „genau das hab ich in dem Zimmer gespürt. Wir wollten ihm nur sein Geld klauen, mehr nicht. Aber dafür mußten wir... Also hab ich ihn lieber gleich umgelegt. Hab ihn mit seinem eigenen Schießeisen eins aufgebrannt. Taxi war dabei, kapierte nicht...“
„...daß du ihre Ehre verteidigen wolltest, hm?“
„Das ist mein Ernst, Monsieur“, sagte er so würdig wie möglich.
„Meiner auch. Schön. Der Neger ist erschossen, ihr klaut ihm das Geld und den Schmuck
Ich wartete darauf, daß er sein Herz ausschüttete. Es kam nichts. Also tastete ich mich weiter vor:
„Und Monsieur Saint-Germain hat diesen Schmuck zwangsverwaltet. Monsieur Saint-Germain ist nämlich raffiniert...“
„Sehr raffiniert! „ bestätigte der Mörder des farbigen Gangsters und brach wieder in hysterisches Lachen aus.
„Genauso raffiniert wie ein Stück Zucker. Siehst du, Rémy, er löst sich genauso auf.“
Der Bestsellerautor verkroch sich tatsächlich immer mehr in seinen Sessel. Wagte nicht, sich zu bewegen. Nur die Augen, zwei schwarze Löcher in dem blutleeren Gesicht, bewegten sich zwischen Rémy und mir hin und her. Schwer zu sagen, vor wem er mehr Angst hatte.
„Spaß beiseite“, sagte ich, wieder ernst. „So ein Erlebnis erschütterte die kleine Taxi natürlich mächtig. Bei der Vorwahl zur Miß Müll schien sie nicht ganz auf der Rolle zu sein. Hatte auch allen Grund dazu. Und als wir hier die Nacht beendeten, mußtest du ihr ein Beruhigungsmittel geben. Diese Einzelheiten sind mir erst viel später eingefallen...“
„Und keine dieser Einzelheiten interessiert mich“, fiel mir der junge Mann ins Wort.
„Und wenn ich dir was von deinem zweiten Opfer erzähle? Bernard Lebailly? Interessiert dich das auch nicht?“
„Nicht die Bohne.“
„Aber du gestattest doch, daß ich dir trotzdem von ihm erzähle, oder?“
„Aber schnell. Ich hab’s eilig.“
„Eilt überhaupt nicht. Sonst machst du noch mehr Dummheiten. Glaub mir. Solange du mir zuhörst, kann sich deine Lage nicht verschlimmern. Du weißt gar nicht, welchen Dienst ich dir erweise. Gut... Also: Bernard Lebailly. Bevor der dein Opfer wurde, war er das Opfer dieses Arrondissements. Ja, er hat geschrieben. Literatur. Theaterstücke. Er saß hinter der Rezeption, als du in der besagten Nacht zum Zimmer 42 raufgingst und wieder runterkamst. Lebailly hat sofort kapiert, daß du der Mörder warst. Aber anstatt dich zu verpfeifen, hat er lieber seinen Job verloren. Spekulierte auf eine Befriedigung andrer Art, auf höherem Niveau. Wußte wohl, daß du der Sohn eines Flics warst. Vielleicht hatte er auch mal in einem Hotel gearbeitet, in dem du gewohnt hast, kannte deinen richtigen Namen usw. usf. Was liegt näher als eine hübsche kleine Erpressung? Aber vorher gönnt er sich noch ein seltsames Vergnügen...“
Ich wandte mich dem Schriftsteller zu.
„...Hätte Ihnen gefallen, dieser Lebailly, Monsieur Saint-Germain. In seiner Art auch ein Mann von erlesenem Geschmack. Hatte Der Kopf eines Mannes von Georges Simenon gelesen und identifizierte sich mit Radek.“
Saint-Germain zuckte zufällig mal nicht. Auch nicht mit der Wimper. Ich fuhr fort:
„Radek, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Revolutionär, ist die Hauptfigur im Kopf eines Mannes. Ein armer Schlucker, ein Versager, pfeift auf dem letzten Loch. Aber ein interessanter Charakter. Verspürt eine seltsame und seltene Befriedigung dabei, das Tun und Treiben reicher Leute zu beobachten, und zwar solcher, von denen er weiß, daß sie was auf dem Kerbholz haben: sie haben ein Verbrechen von jemand anderem begehen lassen. Und dieser andere ist er, Radek! Er gibt sich absichtlich nicht zu erkennen, bleibt der geheimnisvolle Unbekannte. Freut sich über die wunderbare Macht, die er über die reichen Säcke hat. Er, der arme Schlucker, der elende Versager, schwebt als Damoklesschwert über ihnen, weil sie sich die ganze Zeit über Sorgen machen und sich quälen. Keine Nachricht von dem Mann, von dem sie wissen, daß er alles weiß! Wie erleichtert wären sie, wenn Radek sich den Lohn für seine Dienste abholen
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