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verschwinden. Möchte
wissen, ob ich sie überzeugen konnte. Nichts ist schwieriger, als jemanden von
der Wahrheit zu überzeugen. Kann sein, daß ich die Kerle jetzt ständig auf den
Fersen habe. Vor allem Grégoire. Gar nicht so blöd, wie er aussieht, dieser Grégoire.
Auch wenn er danebengegriffen hat mit seiner Kombination. Wie die wohl aus der
Wäsche geguckt hätten — Faroux und der verdammte Grégoire — , wenn ich geantwortet hätte:
„Ich hab auf das Miststück
Hélène gewartet und auf sonst niemanden. Aber wir beide, Grégoire, mit unseren
Regenmänteln und Schlapphüten, zu allem Überfluß noch Ihre Luchsaugen, wie
sahen wir in der Menge wohl aus? Wie Flics, richtig! Stellen Sie sich jetzt mal
vor — wo Sie sich doch so allerhand vorstellen — stellen Sie sich vor, daß dieser
Lancelin aus Marseille ankommt. Und daß er ein Näschen für Flics hat. Er sieht
uns und denkt: die warten auf mich. Später dann auf der Foire du Trône —
was ihn dorthin zieht, weiß ich nicht; vielleicht will er die Zeit totschlagen,
wie ich. Oder er hat was Bestimmtes vor. Was, müssen wir noch rauskriegen —
jedenfalls sieht er mich und erkennt mich als den Flic vom Bahnhof. Nimmt an,
daß ich ihm gefolgt bin. Vielleicht meine ich das auch nur so im nachhinein,
aber ich meine, daß ich mehrmals das Gefühl hatte, beobachtet zu werden, als
ich zwischen den Buden umherspaziert bin. Ich steige in den Wagen der
Achterbahn, er setzt sich hinter mich. Dann versucht er, mich umzubringen.
Warum gerade auf der Achterbahn? Wird wohl seine Gründe dafür haben. Einer, der
nach Paris kommt... kam, besser gesagt, um was Wichtiges oder Krummes zu
erledigen, der ohne Zögern einen braven Bürger um die Ecke bringen will, nur
weil er ihn für’n Flic hält, der ihn beschattet. Meinen Sie nicht, meine Herren
Polizisten, es könnte interessant sein zu wissen, was der Kerl in Paris
vorhatte? Also, ich werd’s rauszukriegen versuchen. Sie sind sicher schneller
als ich — mit Ihren Möglichkeiten! — , und deswegen
hab ich Ihnen bis jetzt noch nichts gesagt. Wollte ‘n kleinen Vorsprung. Na ja,
ich werd’s versuchen. So zum Zeitvertreib. Außerdem weiß man nie, was bei so
was rauskommt. Was sagst du da, Grégoire? Daß ich dieselben voreiligen Schlüsse
ziehe wie du? Ja, stimmt. Aber wir werden ja sehen!“
* * *
Um kurz nach zwölf betrete ich
das Büro von Marc Covet im Crépuscule. Mein Freund zeigt auf die
Ausgabe, die ich in der Hand habe.
„Gefällt Ihnen der Artikel?“
„Ja, ausgezeichnet. Ein Loblied
auf meinen Mut und meine Kaltblütigkeit. Ihren Beruf können Sie nicht
verleugnen, was? Immer diese Lügen! Muß Ihnen nämlich gestehen, daß ich mehr
Schiß hatte als alles andere. Trotzdem vielen Dank. Vielleicht lockt das
Klienten an.“
„Wünsch ich Ihnen von ganzem
Herzen. Aber jetzt mal Spaß beiseite. Verdammt üble Geschichte, hm?“
„Sie sagen es. Aber was ich
wollte... Haben Sie kein Foto von diesem Lancelin? Irgendwoher?“
„Tja... Ralic hat für mich ‘n
paar Fotos geschossen, in der Morgue . Für unser Archiv.
Nur...“
Er runzelt die Stirn, schüttelt
den Kopf.
„Glaub nicht, daß Ihnen das
weiterhilft. Sie wollen doch sicher was haben, das Sie irgendwelchen Zeugen
vorlegen können, stimmt’s?“
„Ehrlich gesagt: ich weiß es
selbst noch nicht. Möchte erst mal nur ein Foto von dem Kerl haben, der mich
von so weit oben runterschubsen wollte.“
„Hier, das ist alles, was ich
habe“, sagt Covet und legt ein paar Abzüge auf den Schreibtisch.
Nicht grad sehr appetitlich.
Aber mir kommt eine Idee.
„Gibt es hier im Haus keinen
Zeichner, der diese Fotos etwas aufpolieren kann? Wäre dann zwar nicht
haargenau die Visage des Toten, als er noch lebte, aber man könnte’s
vorzeigen...“
Marc Covet geht darauf ein. Er
nimmt die makabren Fotos und geht damit weg. Kurz darauf kommt er wieder. Ich
kann das Gewünschte heute nachmittag haben, gegen
vier, nicht früher. Eine knifflige Arbeit, vor allem, wenn es was Ordentliches
werden soll. Inzwischen könnte man ja ‘ne Kleinigkeit auf die Gabel schieben...
Wir gehen.
* * *
Gegen zwei muß Marc Covet für
eine Reportage nach Montrouge. Ich gehe ins Archiv des Crépu. Will mir
die Sammlung des letzten Jahres ansehen. Ich muß einen Moment warten, dann wird
mir das zweite Trimester 1956 gebracht, feierlich in schwarzen Stoff gebunden.
Ich schnüffle in muffigem Geruch von alter Druckerschwärze und modrigem Papier.
Da! 8.
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