nmp12
einfach kneifen. Kann nicht einfach
sagen: nein, vielen Dank, heute abend nicht. Heute abend bleib ich zu Hause, in meinen Pantoffeln. Würde schlecht ankommen! Man ist ein
Mann, oder man ist ‘n Waschlappen. Also bin ich mitgegangen. Und dann gab’s
Ärger mit Ihrer Freundin. Da mußte ich den Albino verteidigen, verstehen Sie?“
„Die Sache war doch schon
gegessen. Aber dann seid ihr uns gefolgt.“
„Die andern wollten das. Vor
allem Ernest, der Albino. War nicht mehr zu bremsen. Was sollte ich machen?“
Hab selten soviel Quatsch auf
einmal gehört. Ich muß lachen.
„Du bist also wie der General,
der vor seinen Truppen hermarschiert, nur weil sie ihn dazu gedrängt haben,
hm?“
„Hm... ja... Soll vorkommen.“
Plötzlich komm ich mir ziemlich
doof vor. Vor allem mit meiner Kanone in der Hand. Eine lächerliche
Inszenierung für so ein dürftiges Ergebnis! Hab das Gefühl, daß ich seit meinem
Intermezzo auf der Achterbahn nicht in allerbester Form bin. Wohl immer noch
die Nachwehen der Angst, die ich da oben hatte. Hab von Anfang an alles falsch
angepackt. Ich bin wütend auf mich selbst. Wieder ‘ne Sackgasse. Am liebsten
würd ich diesem Bébert noch was draufhaun, jetzt auf die dicke blaue Nase. Aber
erst mal steck ich die Waffe ein. Dabei fühle ich Lecanuts Foto. Ich zieh’s
raus und seh’s mir an. Leeren wir den Kelch bis zur Neige. Ja, der tote Killer
auf dem Foto scheint mich verarschen zu wollen.
„Wer ist das?“ fragt Bébert.
„Vielleicht kennst du ihn?“
frage ich zurück.
Würd mich wundern. Aber wo ich
schon mal so weit bin... Ich geb ihm das Foto.
„Nein. Kenn ich nicht.“
Klingt aufrichtig.
„Kann ich aufstehen? Mein Arsch
tut mir so langsam weh.“
„Von mir aus. Aber Vorsicht!
Keine Zicken, ja?“
Sein Achselzucken soll heißen, daß
er relativ vernünftig geworden ist. Er steht auf. Ich auch. Als ich etwas
zurücktreten will, rempele ich jemanden. Hab ich gar nicht kommen hören. Das
junge Mädchen. Um ein Haar hätte ich sie umgerannt. Völlig erstarrt steht sie
da. Ihre Augen... Verdammt! Ich halte immer noch Lecanuts Foto in der Hand. Sie
starrt es an, als könne sie sich gar nicht davon losreißen.
„He! Was ist? Sieht so aus, als
würd Sie das an irgendwas erinnern, hm?“
Sie will abhaun. Ich pack sie
an den zarten Handgelenken. Aber ich hab ihre Kräfte falsch eingeschätzt, oder
ich wollte sie nicht zu brutal anfassen. Na ja, will mich nicht rausreden. Sie
macht sich los und läuft zum Bett. Ich stürze hinter ihr her. Aber sie ist ganz
schön wendig. Eine richtige Schlangenfrau. Sie entwischt mir und läuft nach
draußen. Ich falle lang hin. Bébert hat mir ein Bein gestellt und fällt über
mich her. Ich schlage aus wie ein Esel. Dann hab ich meine Kanone wieder in der
Hand und ziehe ihm eins über die Rübe. Den bin ich los. Jetzt renne ich hinter
dem Mädchen her. Sie läuft in Richtung Boulevard Soult. Der Zwerg steht vor
meinem Wagen und beobachtet die Szene. Ich rufe ihm zu, er solle das Mädchen
aufhalten. Aber er kapiert es nicht. Aus einer der Baracken sind zwei Männer
gekommen, neugierig geworden. Das Mädchen läuft auf meinen Wagen zu und...
verdammte Scheiße! Das hat mir grade noch gefehlt. Sie schickt den Zwerg in den
Staub, klettert ins Auto und rast los, die Avenue Vincent-d’Indy runter.
* * *
Fluchend geh ich zurück zum
Waggon. Die zwei aus der Baracke sind nähergekommen. Wollen bestimmt mehr
erfahren. Hab aber keine Lust, mich löchern zu lassen. Flegelhaftes Benehmen,
ruppige Sprache, dazu ein Ausweis, der aussieht wie einer von der Polizei: das
reicht in der Regel, um sie sich vom Hals zu halten. Knurrend verziehen sie
sich.
Jetzt wieder zu Bébert. Er
steht in der Waggontür und sieht mir haßerfüllt entgegen. Seine Augen blitzen
böse.
„Sie ist abgehaun“, zischt er
vorwurfsvoll. „Und sie kommt nicht wieder. Durch Ihre Schuld!“
„Dann suchst du dir ‘ne neue.“
„So eine wie die findet man
nicht oft.“
Er ballt die Fäuste. Sieht so
aus, als tue ihm seine Hand nicht mehr weh. Ich hole besser meine Kanone wieder
raus.
„Hab das Gefühl, wir müssen uns
nochmal unterhalten. Und versuch nicht wieder, den Blödmann zu spielen. Ich jag
dir ‘ne Kugel in den Kopf.“
„Hab ich gar nicht vor. Das
Ganze stinkt mir gewaltig. Versteh nur Bahnhof.“
„Und warum wolltest du mir eben
wieder an die Gurgel?“
„Wegen der Kleinen.“
„Ach! Ritterliche Gefühle? Ist
ja ganz was Neues. Gestern
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