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Kopf kam mit getrennter Post, aber
trotzdem! Ein Zwerg oder so was Ähnliches.
Zurück zu meinem Zwerg auf den
Treppenstufen: Er ruft hinter mir her, kommt näher. Ein Kleinwüchsiger, häßlich
wie kein zweiter, etwa fünfzehn Jahre.
„Hab alles mitgekriegt“, sagt
er. „Sie wollen dem Bébert was in die Fresse haun?“
„Mit Vergnügen.“
„Ich auch. Vielleicht können
Sie das besser.“
„Hat er dich verprügelt?“
„Ja. Und ich weiß, wo er sich
mit seinen Freunden trifft. Soll ich Sie hinführen? Ist ziemlich weit.“
„Ich hab ein Auto.“
Der Junge braucht nicht mehr
Platz als ein Kosmetikkoffer. Aber er riecht leider
nicht so gut.
* * *
Mein Fremdenführer in
Taschenformat heißt Etienne. Offensichtlich wird er nicht allzu oft im Wagen
rumkutschiert. Nutzt die Gelegenheit für ‘ne ziemlich abenteuerliche Route, wie
mir scheint. Wenn er auch weiß, wohin die Reise gehen soll, so kennt er sich
doch mit den entsprechenden Straßennamen nicht aus. Nach rechts, nach links,
geradeaus. Mehr sagt er nicht. Wir fahren die Rue de Reuilly hoch bis zur Place
Felix-Eboue, biegen in den Boulevard de Reuilly und dann in den Boulevard de
Picpus ein. Immer der Metro nach. An der stillgelegten Station Bel-Air
dirigiert er mich in die Rue de Sahel. Jetzt folgen wir der Ringbahn oder einer
Linie, die zum Güterbahnhof führt. Unterwegs redet Etienne von Bébert und
seiner Clique und von dem Ort, an dem sie sich treffen: ein alter Eisenbahnwaggon,
der auf einem unbebauten Gelände steht, in der Nähe von Saint-Mandé. Ich
schraub meine Erwartungen zurück. Wahrscheinlich stehen die Chancen, diesen Bébert zu überraschen, genauso schlecht wie auf der Foire
du Trône. Eher noch schlechter. Der Waggon ist keine Wohnung, wo er sich
regelmäßig aufhält. Nur ‘ne Art Vereinslokal. Aber jetzt bin ich schon mal auf
dem Weg. Wir schneiden die Avenue Général-Michel-Bizot und gelangen auf den
Boulevard Soult. Ich erkenne die Gegend wieder. Square Georges-Méliès und
dahinter die Rue Albert-Malet, wo Jacques Benoît wohnt, Geneviève Lisserts
Flirt. Sollten er und Bébert Freunde sein? Ich stelle die Frage zurück. Wir
werden ja sehen. Der Zwerg lotst mich durch die Avenue Emmanuel-Laurent in
Richtung Saint-Mandé. Auf der einen Seite ziemlich luxuriöse Häuser, getrennt
durch hübsche, gepflegte Gärten, auf der anderen die Eisenbahnlinie und ‘ne Art
Niemandsland.
„Da“, sagt mein Zwerg.
Rechts ein Holzlager. Links
eine Baustelle. Dazwischen das unbebaute Gelände (wahrscheinlich nicht mehr
lange!), überwuchert von Gras und wildwachsenden Pflanzen. Und mitten-drauf ein
zum Schuppen umfunktionierter Güterwaggon. Die Schiebetür steht offen, was aber
nicht heißen muß, daß jemand drin ist. Vielleicht läßt sie sich nicht
schließen.
Einsteigen!
Im Hintergrund laufen Kinder um
Baracken herum, die anscheinend für Obdachlose aufgestellt worden sind.
Ich konzentriere mich wieder
auf den Waggon. Doch! Es ist jemand drin. Eine junge Frau kommt gerade heraus, macht
ein paar Schritte, so als wolle sie sich die Beine vertreten. Dann geht sie auf
die Baracken zu. Ihr Gang ist anmutig, trotz der Löcher und Huckel auf dem
Boden. Man könnte ihr stundenlang zusehen. Sie verschwindet in einer der
Baracken. Kurz darauf kommt sie mit einem Kochtopf zurück.
Hinter uns nähert sich der Lärm
eines Motorrollers. Das Mädchen schwingt freudig ihren blinkenden Topf in der
Sonne. Der Roller rast die Avenue Emmanuel-Laurent hinauf, ganz dicht an meinem
Dugat vorbei. Dann holpert er über das Gelände zum Waggon. Der Fahrer springt
ab, und sofort setzt sich das Mädchen drauf. Im Zickzack geht’s über Stock und
Stein. Die Haare flattern im Wind.
Ich seh den Zwerg an.
„Das ist Bébert“, sagt er. „Hat
der jetzt einen Roller?“
„Auf dem Flohmarkt gekauft. So
wie der aussieht. Und das Mädchen?“
„Kann sie von hier aus nicht
erkennen.“
„Ist er verheiratet?“
„Jedes Jahr versucht er, sich
eine von der foire zu holen. Manchmal schafft er’s, manchmal nicht.“
„Und was sind das für
Baracken?“
„Keine Ahnung.“
Ich öffne die Wagentür.
„Kommst du mit?“
Er
verzieht das Gesicht. Der Gedanke begeistert ihn nicht.
„Dann eben nicht.“
Ich versuche, von hinten an den
Wohnwagen ranzukommen. Bloß keinen Staub aufwirbeln! Inzwischen hat das Mädchen
die Probefahrt beendet und den Roller unter ein Teerdach geschoben. Das junge
Paar ist jetzt im Waggon. Ich gehe um ihn
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