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herum auf die Vorderseite. Dann
betrete ich als Überraschungsei das Heim.
„Sieu-Dame“, grüße ich
bühnenreif.
An der Rückseite ist eine
Öffnung, durch die Tageslicht hereindringt — ebenso wie Wind und Regen, falls
vorhanden. Die Einrichtung gestattet einen gemütlichen Camping-Aufenthalt.
Campingliege, Luftmatratzen. Anscheinend alles neu. Mit Ausnahme eines bunten
Campingstuhls besteht das Mobiliar aus Kisten. Auf einer steht ein Kocher. Auf
einer anderen sitzt der junge Mann. Bei meinem Auftritt steht er auf.
Bébert, der Kraftprotz mit dem
versoffenen Arschgesicht, hat sein rotes Sonntags-Ausgeh-Hemd gegen einen
Blaumann vertauscht. Die Farbe paßt auch besser zu der seiner Nase. Ein
tiefblaues Souvenir von der Bekanntschaft mit meinem Knie.
Ohne Bébert aus den Augen zu
lassen, seh ich mir jetzt das Mädchen an. Bei meinem Überfall lag sie auf dem
Bett, hat sich aber mit einem Ruck aufgesetzt, so als wollte sie sich
instinktmäßig verteidigen. Dabei ist der Rock ihre wunderbaren nackten Beine
hochgerutscht, sehr hoch. Aber das scheint sie nicht zu interessieren. Die
Kleine sieht wirklich verstört aus. Sie ist ungefähr zwanzig, gut gebaut und
wohlproportioniert. Ihre langen Haare haben einen rötlichen Schimmer. Hübsches
Gesicht, leicht vorspringende Wangenknochen, nicht geschminkt. Der Ausdruck ist
gleichzeitig trotzig und schwach. In ihren Augen steht unterdrückte Angst. Ihr
Kleid sieht teuer aus, elegant, wie es sie nur selten in Waggons zu sehen gibt,
außer im Pullman. Auch ihre Schuhe stammen sicher nicht von Prisunic, obwohl sie durch die Lauferei über das Gelände draußen etwas mitgenommen
aus-sehen. Die Tasche neben ihr kommt von Hermès oder so. Und was an ihrem
Ringfinger funkelt, sieht aus wie’n echter Brillant .
Das wird ja immer lustiger,
wenn ich das richtig sehe.
Nach einer Schrecksekunde — das
Paar wird bestimmt nicht oft in ihrer Villa Luftig besucht — fragt Bébert:
„Was soll das denn?“
„Was das so soll“, antworte
ich. „Weiß nicht, ob du mich wiedererkennst... das ist für dich!“
Und ohne weitere Vorwarnung hau
ich ihm ordentlich was. in die Fresse, wie ich mir’s vorgenommen habe. Die
Braut sieht entsetzt zu. Bébert weicht zurück, stolpert über eine Kiste und
fällt hin. Fluchend steht er wieder auf. Seine Böse-Buben-Augen blitzen böse
auf. Er setzt zum Sprung an. Aber ich hab schon prestissime mein
Schießeisen rausgeholt. Bébert prallt zurück. „He!“ ruft er. „Was soll das denn
jetzt?“
Komische Frage. Nichts kann
sich so gut schminken wie ein Revolver. Jedesmal, wenn man ihn jemandem unter
die Nase hält, hört man die Frage: „Was soll das denn?“ Als ob man das nicht
sähe. Muß mal bei Gelegenheit drüber nachdenken.
„Dies hier ist ein Revolver“,
erkläre ich. „Vor ihm sind alle Menschen gleich. Du bist aber heute gar nicht
so lustig wie gestern, hm? Und wo ist der Rest von eurem dreckigen Halbdutzend?
Du bist ganz alleine, du kleiner Blödmann und großes Arschloch.“
Jetzt protestiert er aber doch:
„Sie dürfen das da gar nicht
haben. Ist verboten.“
„Ach ja? Aber du darfst jeden
anfurzen. Und wenn einer keinen Spaß an deinen Späßen hat, darfst du ihm das
Zifferblatt verbiegen, hm? Aber bei mir hast du Pech gehabt. Wirst es nicht
glauben, aber ich bin Privatflic. Deine Kinnhaken werden dir noch leid tun.“
„Privatflic?“
Das scheint zu wirken. Auch auf
das Mädchen. Sie springt auf, erstickt einen Schrei, setzt sich wieder. Ich
richte die Waffe kurz auf sie.
„Schön ruhig bleiben!“
Das läßt sie sich nicht zweimal
sagen. Wie ‘ne frierende Katze rollt sie sich in einer Ecke zusammen. Hepp! Ich
dreh mich Bébert zu und hau ihm was auf die Finger. Keine Ahnung, was er
vorhatte, aber für meinen Geschmack ist er etwas zu nah an mich rangekommen.
Bébert wird blaß und fächelt der geschlagenen Fiand Luft zu. Dann nimmt er sie
liebevoll in die andere und tanzt vor Schmerz. Mit aller Kraft schicke ich den
bösen Buben in die neutrale Ecke. Er plumpst auf eine Kiste, die unter seinem
Gewicht zusammenkracht. Unglücklich sitzt er zwischen den Holzsplittern.
Hoffentlich sticht ihm einer in den Hintern. Er reibt sich die schmerzende
Hand, die nach und nach Technicolor annimmt. Er sieht mich an und knurrt:
„Jetzt reicht’s aber! Sie
wollten Revanche, hm? Das soll wohl genügen. Aber für ‘ne richtige Revanche
müßten wir rausgehen.“
Er macht Anstalten, wieder
aufzustehen.
„Bleib, wo du
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