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Schuß fällt, die Kugel dringt in die Tischplatte
ein. Montolieu hat mit meinem eigenen Revolver auf mich gezielt. Raymond
rappelt sich wieder hoch, flucht wie ein Wilder. Außer sich, wie im Moment alle
Anwesenden, stürzt er sich auf Montolieu und schnauzt ihn an, keinen Scheiß zu
machen. Aber Montolieu hat sich nicht mehr in der Gewalt. Spürt wohl, daß die
Karre verfahren ist und er sie wohl nicht mehr aus dem Dreck ziehen kann. Zu
viele unverständliche Dinge haben sich heute nacht in
dieser Villa abgespielt. Vielleicht hat er auch zuviel gesoffen. Er ballert
wieder los, diesmal auf Raymond. Félix muß natürlich seinen Boß verteidigen und
schießt ebenfalls. Kann gar nicht anders. Und er ist geübter. Präzise trifft er
Montolieus Hand. Die Waffe fliegt in die Ecke. Montolieu fällt um,
wahrscheinlich vor Schreck. Raymond und Félix wollen sich den Weinhändler
vornehmen, da geht die Tür auf...
Nein. Sie geht nicht auf, sie
ist offengeblieben, seit Madame Parmentiers Auftritt. Die Neuankömmlinge fühlen
sich gleich wie zu Hause, steigen oder springen über die alte Dame hinweg.
Einer stolpert über sie. Inspektor Grégoire baut sich vor meinem Schutzwall
auf.
„Na?“ sagt er. „Diesmal freuen
Sie sich doch sicher, mich zu sehen, oder?“
16
Bis zur Neige
Zwei Tage später besuche ich
die Witwe Madame Parmentier, Boulevard Poniatowski. Bin ich ihr auch schuldig.
„Sie haben mir das Leben gerettet“,
sage ich. „Wenn Sie nicht aufgetaucht wären und die Aufmerksamkeit unserer
Helden für ein paar Sekunden abgelenkt hätten, ohne die Panik...“
„O je!“ sagt sie lächelnd. „Bin
ich denn so häßlich?“
„Sie wissen doch, wie ich das
meine. Die Kerle haben nichts mehr kapiert. Vor allem Montolieu. Der ging mit
seinen Nerven sowieso schon zu Fuß. Also, ohne Ihr Erscheinen hätte ich nicht
gewußt, wie ich da rauskommen sollte. Sicher, die Polizei war ganz in der Nähe.
Inspektor Grégoire hat mich überwachen lassen. Der ist mir nämlich immer noch
böse. Aber vielleicht wären die Flics zu spät gekommen. Aber Sie... Ich sehe,
Sie haben sich von der Aufregung wieder erholt. War’s sehr schlimm?“
„Haben Sie doch selbst gesehen.
Als ich in der Tür stand und diese Männer mit ihren Pistolen sah, bin ich ganz
einfach umgekippt. Auf der Stelle. Großer Gott! Ich schwöre Ihnen ,
in Zukunft halte ich mich an meine Bücher. Auch wenn mein nächster Mieter einer
wie Landru ist, werd ich nie mehr nachsehen, was in meinem Haus vor sich geht.
Das war das erste und letzte Mal. Hoffe ich jedenfalls. Aber ich konnte mich
nicht bremsen! Ihr Besuch hat meine Phantasie zu sehr angeregt. Kaum waren Sie
weg, da hab ich beschlossen, selbst in der Villa nachzusehen. Natürlich nachts.
Wenn was passiert, passiert’s meistens nachts, vor allem um Mitternacht. Leider
hat es geregnet, in der Nacht nach Ihrem Besuch. Ich bin zu Hause geblieben.
Aber die Nacht darauf... Eine schöne Nacht, nicht wahr?“
„Nicht für alle. Die beiden
Goldkäufer sind noch nicht wieder frei. Und Ihr Mieter... vielleicht haben
Sie’s in der Zeitung gelesen... er ist tot. Die Kugel hat nicht nur seine Hand
getroffen, sondern auch noch ein wichtiges Organ. Aber bevor er starb, hat er
noch einiges gestanden. Hat meine Theorie über den Fall bestätigt.“
„Das ist wohl ein sehr
geheimnisvoller Fall, nicht wahr?“ Die alte Dame zappelt aufgeregt hin und her.
Ihre Augen leuchten hinter der neuen Brille. „Ich hoffe, Sie erzählen mir
alles. Haben Sie mir versprochen. Machen wir’s uns gemütlich. Ich habe extra
Whisky eingekauft...“
Das Dienstmädchen bringt eine
Flasche Scotch. Meine Gastgeberin zündet sich eine Zigarette an. Sie ist ganz
Ohr.
„Ich biete Ihnen keine an“,
sagt sie. „Ich nehme an, Sie rauchen lieber Pfeife.“
„Muß gerade eine neue einrauchen“,
sage ich. „Hab sie heute morgen mit der Post gekriegt.
Ein sehr seltsames Stück. Von einer unbekannten Verehrerin, aus Nizza. Ein
herrlicher Beruf! Man kriegt was auf die Rübe, aber manchmal auch was
geschenkt.“
Ich hole die neue Pfeife raus. Sie
hat die Form eines Stierkopfes, einschließlich vorstehendem
Maul . Die Witwe Parmentier tut interessiert, hätte es aber lieber, wenn
ich loslegte. Auf meine Verehrerinnen pfeift sie. Gut, also zur Sache! Erst en
gros, dann en détail.
„Es kam mir ganz plötzlich, wie
‘ne Erleuchtung. An dem Abend, als ich Christine abgefangen und dann wieder
nach Hause gebracht habe. Ihr
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