No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
erhoben und interpretiert werden, die das beweisen, hängt offenbar sehr davon ab, auf welcher Seite man steht.
Mittlerweile zeichnet sich deutlich ein Trend in Richtung Abo-Systeme ab, bei denen man für einen festen Betrag im Monat so viel Musik herunterladen kann, wie man möchte. Genau dafür hatte sich vor einigen Jahren auch der französische Senat ausgesprochen, war aber seinerzeit schwer torpediert worden, nämlich vom Musikgiganten Universal und französischen Verwertungsgesellschaften, die ihn dabei unterstützten. Ein Abosystem – das klingt zunächst ganz einfach, hat aber auch einige Haken. Wie viel soll ein Abo kosten? Ist es im Grundpaket eines Internetanbieters enthalten, oder gibt es eine Wahlmöglichkeit? Wie werden die Gelder am Ende verteilt? Wie wird gemessen, welcher Künstler oder Rechteinhaber wie viel Geld beanspruchen kann?
Während der Widerstand gegen Hadopi sich über einige Jahre hinweg allmählich entwickelte, sowohl praktisch als auch in der intellektuellen Auseinandersetzung, kamen ACTA, SOPA und PIPA wie aus heiterem Himmel. Umso heftiger war der Rückschlag. Wer geheime Verhandlungen führt, wie bei ACTA, oder weitgehend ohne Rücksicht auf demokratische Mitspracherechte versucht, Gesetze möglichst schnell durch den Kongress zu jagen, wie bei SOPA und PIPA, der führt offensichtlich etwas im Schilde. Entsprechend fielen die blitzschnell entwickelten Protestaktionen aus. Dabei geht es im Großen und Ganzen um Folgendes: Die Regierungen wollen es sich herausnehmen, im Internet, im Reisegepäck oder im Frachtverkehr herumzuschnüffeln, um verdächtiges Material aufzuspüren. Staatsanwälte und Richter sollen bei diesem Eingriff in die Privatsphäre kaum noch mitzureden haben – obwohl der Justizapparat doch eine der Grundlagen unserer Rechtsstaaten ist.
Material soll künftig also auch ohne richterliche Anordnung beschlagnahmt werden können. Es bedarf nicht einmal eines Beschwerdeführers. Verdächtig ist alles, was Verwaltungsbehörden dafür halten. Und entsprechend wird solches Material behandelt. Wer im Internet Informationen austauscht, die verdächtig aussehen, riskiert fortan unterschiedlich gravierende Sanktionen. Provider, die Material weiterleiten, das womöglich urheberrechtlich geschützt ist und für das nicht bezahlt wurde, können von einem Tag auf den anderen vom Netz genommen werden.
Verständlich, dass alle Mittler, Weiterverbreiter von Informationen bei solchen Gesetzesplänen rot sehen. Informationen und Wissen auszutauschen wird zu einer risikobehafteten Angelegenheit. Wer nicht bloß als passiver Unterhaltungskonsument im Netz unterwegs ist, gerät leicht in die Gefahrenzone. Anscheinend haben Hollywood und die Musikindustrie, also die Contentproduzenten, sich hoffnungslos verzockt. Sie haben bis aufs Blut für ACTA, SOPA und PIPA gekämpft, ohne zu begreifen, dass das Internet ihnen neue Geschäftsmodelle abverlangt. Ihre Forderung nach drakonischen Maßregeln und die darauf folgenden Proteste führen nur dazu, dass die Politiker nervös werden und versuchen, alles auf die Law-and-Order-Karte zu setzen. Das macht die Contentindustrie nicht gerade populärer. Wenn Politiker, Verwaltungsbeamte und Wortführer der Industrie jetzt lauthals verkünden, ACTA, SOPA und PIPA gingen doch über TRIPS gar nicht hinaus, dann sollte man sich TRIPS noch einmal näher anschauen. Vielleicht käme man zu dem Schluss, dass auch TRIPS bei weitem nicht so harmlos ist, wie es scheint.
Allerdings achten die Kritiker unserer Meinung nach zu wenig auf die grundlegende Struktur der Märkte, auf denen Rechte des geistigen Eigentums gehandelt werden. Die Machtverhältnisse, die dieses Spiel ausmachen, und die Marktmacht, die einzelne große Unternehmen haben, werden kaum hinterfragt. Wäre dies anders, so könnte man sich zum Beispiel nur schwerlich ein Bündnis gegen SOPA/PIPA vorstellen, wie man es derzeit zwischen Google und der Zivilgesellschaft beobachten kann. Ein Beinahe-Monopolist, der die Kommunikations- und Informationsbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger für seine eigenen kommerzielle Zwecke nutzt, nämlich zur Generierung von Werbeeinnahmen, könnte sich dann kaum mit Bürgern zusammentun, die für die Informationsfreiheit kämpfen. Die Interessen von Google stimmen möglicherweise mit denen der Bürger nicht überein. Die große Preisfrage lautet nun: Wie wahrscheinlich ist es, dass der Kampf um die Rechte des geistigen Eigentums noch gewonnen werden kann? Lohnt
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