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No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

Titel: No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke van Schindel , Joost Smiers
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Urheber. Es darf aber nicht vergessen werden, dass auch im Bereich der Fotografie einige wenige Player beträchtliche Marktmacht erlangt haben. Bill Gates besitzt neben Microsoft auch ein Unternehmen namens Corbis, das weltweit Bildmaterial aufkauft, digitalisiert und vermarktet. Die Kollektion umfasst über 100 Millionen Bilder, jährlich kommen Hunderttausende hinzu, wie Wikipedia vermeldet. Das zweite große Unternehmen auf dem Fotolizenzmarkt ist Getty Images. Getty hat bereits 2006 das Fotonetzwerk iStockphoto aufgekauft (siehe Howe 2009: 7). Faktisch befindet sich damit ein beträchtlicher Teil des weltweit verfügbaren visuellen Materials in den Händen von nur zwei großen Firmen.
    TRIPS: Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights
     
    Copyright-Inhaber, aber auch Inhaber sonstiger Rechte an geistigem Eigentum standen schon immer vor dem Problem, dass sie ihre Rechte in anderen Ländern kaum durchsetzen konnten. Zugleich hätten sie angesichts der zunehmenden ökonomischen Globalisierung gerade dadurch viel gewinnen können. Andere Länder ließen sich aber nicht so einfach zwingen, Urheberrechtsgesetze einzuführen, und schon gar nicht, sie auch anzuwenden. Was hat man also getan? Ende der achtziger bzw. Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts drängten die Großunternehmen der Kulturindustrie darauf, einen internationalen Vertrag einzuführen, um andere Länder eben doch auf bestimmte Maßnahmen verpflichten zu können. In dieser Hinsicht zogen die Medienunternehmen am selben Strang wie die Pharma- und Agrarindustrie, bei deren Patenten es sich ebenfalls um Rechte des geistigen Eigentums handelt. So kam es innerhalb der 1994 gegründeten World Trade Organisation (WTO) zu einem Abkommen über Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights, dem sogenannten TRIPS-Abkommen (siehe Deere 2011).
    Mit diesem Vertrag verpflichteten sich die unterzeichnenden Länder, in den nationalen Gesetzgebungen ein einheitliches Schutzniveau für Rechte an geistigem Eigentum einzuführen. Das war zunächst einmal nichts Besonderes. Das Neue an TRIPS – und auch an den sonstigen Handelsverträgen der WTO – waren die Sanktionsmechanismen. Wenn ein Land seine Gesetzgebung beließ, wie sie war, kein Copyright einführte und schon gar nicht durchsetzte, dann sollte es möglich sein, dieses Land zu bestrafen.
    Wie hat man sich das vorzustellen? Ein Land reicht bei einer Gerichtsbehörde, einem sogenannten TRIPS-»Panel«, eine Klage über das laxe Benehmen eines anderen Landes in Sachen Urheberrecht ein. Dabei behauptet es, durch diese Laxheit würden Unternehmen aus dem eigenen Land beträchtliche Summen aus der Verwertung geistiger Eigentumsrechte entgehen. Wenn das Land seine Klage gewinnt, wird ihm das Recht zugesprochen, das nachlässige Land zu bestrafen, indem es zum Beispiel die Ein- und Ausfuhrzölle für bestimmte Produkte maßlos hochschrauben darf. Die unerhörte Wirkmächtigkeit des TRIPS-Abkommens und der WTO besteht darin, dass die Produkte, die das Gewinnerland sich aussucht, in keinerlei Beziehung zu dem konkreten Handelskrieg zu stehen brauchen, um den es ursprünglich ging. Das jeweilige Land kann sich ein Produkt oder eine Reihe von Produkten aussuchen, mit deren Verteuerung es dem zu strafenden Land erheblichen Schaden zufügt.
    Mit dem TRIPS-Abkommen ist nicht nur die Durchsetzung von Rechten an geistigem Eigentum erstmalig zu einer sanktionsbewehrten Verpflichtung gemacht worden, sondern es hat noch ein weiterer Paradigmenwechsel stattgefunden. Bislang standen stets der Urheber und die von ihm entwickelten (und als gesellschaftlich nützlich empfundenen) Kenntnisse oder kreativen Schöpfungen im Zentrum der Rechtfertigung für den Erhalt des geltenden Urheberrechtsregimes – zumindest in Europa, mehr noch als in den Vereinigten Staaten. Mit dem TRIPS-Abkommen ist der Autor in den Hintergrund gedrängt worden. Seither ist der Handel der wichtigste raison d’être für Wissen, Technologie und Kreativität, und die ganze Welt ist ein potenzieller Markt. Die Kulturindustrie exportiert ihre Güter noch in die letzten Winkel der Erde und wertet sie dort wirtschaftlich aus, indem sie ihre Rechte an geistigem Eigentum mit aller Macht durchsetzt.
    In gewisser Weise ist TRIPS ein Bombenerfolg, denn seither wird kaum noch die Frage gestellt, ob das herrschende System von Rechten an geistigem Eigentum überhaupt gut und richtig ist. Für die überwältigende Mehrheit der armen Länder ist das

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