No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
Urhebern und ausübenden Künstlern im Musikbereich mehr Rhetorik als Geld einbringt« (Towse 2004: 64). Die Superstars kassieren kräftig ab, die meisten anderen gehen mehr oder weniger leer aus. (Ebd.: 14 f.)
Die schlechte Bezahlung, die im Bereich der Kultur gang und gäbe ist, muss allerdings in einem größeren Kontext gesehen werden, nämlich im Zusammenhang mit der Flexibilisierung von Arbeit, die sich derzeit in allen Bereichen unserer Gesellschaft vollzieht. Kreativschaffende sind schon immer abhängig davon gewesen, ständig neue und oft unsichere Verträge abschließen zu müssen. Die typischen Härten eines flexibilisierten Erwerbslebens sind in der Kreativwirtschaft noch deutlicher zu spüren als in anderen Sektoren des Wirtschaftslebens (siehe Rossiter 2006: 27): Unsicherheit, hohe körperliche Belastungen, prekäre Arbeitsumstände, keine Rentenansprüche, kein Mutter- oder Vaterschaftsgeld. Das Einkommen aus der Verwertung von Urheberrechten bleibt bei den meisten Künstlern ebenfalls gering. Trotzdem entsteht am laufenden Band neue Kunst, und wann immer sich den Künstlern eine Gelegenheit bietet, treten sie live auf. Das müssen sie allerdings auch, denn wer nicht gesehen wird, existiert praktisch nicht. Und doch ist für die meisten der Drang, künstlerisch zu arbeiten, so groß, dass die damit verbundenen Nachteile und Unsicherheiten in Kauf genommen werden.
Wenn das Copyright also für die meisten Künstler so wenig relevant ist, hat offensichtlich eher die Industrie ein Interesse daran, weil es für sie einen Investitionsschutz darstellt. Darum müssen auch die Schutzfristen immer länger und der Schutzumfang immer weiter ausgedehnt werden. Inzwischen werden selbst Bereiche der subjektiven Wahrnehmung dem Copyright unterstellt, etwa Klänge, Geschmacksvariationen oder Gerüche. (Vgl. Bollier 2003: 218) Die Juristin Amy Kapczynski fasst zusammen, dass in den USA das Copyright in den letzten Jahren immer umfassender wurde: »Die Rechte an geistigem Eigentum betreffen immer weitere Bereiche, also immer mehr Arten von Informationen. Rechteinhaber bekommen eine immer größere Verfügungsgewalt über die Werke. Und Rechtsverletzungen werden immer härter bestraft. Außerdem sind Maßnahmen eingeführt worden, die die technische Kontrolle über Nutzungsrechte erleichtern und die durch digitale Technik ermöglichte Vereinfachung des Kopiervorgangs wieder einschränken.« (Kapczynski 2010: 24) Kapczynski spricht in diesem Zusammenhang von einem neuerlichen Prozess der Einhegung.
Als der Supreme Court in den Vereinigten Staaten 2003 die Verlängerung der Schutzfrist auf 70 Jahre nach dem Tod des Autors absegnete, sah die International Herald Tribune ein »ewiges Urheberrecht« vor sich: »Soon, copyright forever«, lautete die Titelzeile. »Die Entscheidung des Supreme Court bedeutet wahrscheinlich, dass wir gerade den Anfang vom Ende der Gemeinfreiheit und die Geburt eines ewig währenden Copyrights erleben«, hieß es in dem besorgten Kommentar. »Die Gemeinfreiheit hat sich als eine großartige Sache herausgestellt, und wir sollten sie nicht einfach absterben lassen. Dass wir frei auf die kreativen Errungenschaften der Menschheit zugreifen können, ist schließlich einer der Gründe, weshalb sich heute dermaßen viel fruchtbare Kreativität entwickelt.« ( International Herald Tri bune 17. Januar 2003) Anhand eines Beispiels zeigt Ruth Towse auf, wo die Reise hingeht. 2006 verkaufte Michael Jackson dem Unternehmen Sony für eine Milliarde Dollar seine Rechte am Repertoire der Beatles. »Darum also geht es. Man braucht kein Wirtschaftswissenschaftler zu sein, um zu begreifen, dass der Wert eines solchen Vermögensgegenstandes steigt, wenn das Copyright verstärkt oder verlängert wird.« (Towse 2006: 11) Es geht dabei um nicht unwesentliche Beträge. Ein Bericht der International Intellectual Property Alliance (IIPA) ging für das Jahr 2010 von einem Gesamtwert der US-amerikanischen Copyright-Industrien in Höhe von 1,627 Trillionen Dollar aus. Dies entsprach 11,10 % des Bruttosozialprodukts der Vereinigten Staaten und hätte ausgereicht, 10 632 200 Personen in Lohn und Brot zu bringen (siehe Siwek 2011). Auch wenn diese Angaben womöglich nicht hundertprozentig den Fakten entsprechen, weil die IIPA ein Interesse daran haben dürfte, die hohe Bedeutung des Copyrights zu unterstreichen, sind sie durchaus beeindruckend.
Musik- und Filmindustrie berufen sich immer besonders eifrig auf den Schutz der
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