No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
dargelegt, dass das Urheberrecht den meisten Künstlern eher wenig Reichtum einbringt. In der erwähnten Definition wird aber das Gegenteil suggeriert. Im Gelobten Land der Creative Industries, Creative Cities, Creative Economies und Creative Classes trägt das kreative Schaffen sehr wohl reiche Früchte, die als geistiges Eigentum in großem Maßstab geerntet werden können.
Ruth Towse erteilt ihren Lesern den Ratschlag, gelegentlich die Webseite des Kulturamts einer beliebigen Region oder Stadt zu besuchen, »und Sie werden sehen, dass plötzlich die ganze Welt das riesige ökonomische Potenzial der Kreativität entdeckt hat« (Towse 2006: 1). Es werde aber nicht deutlich, was unter Kreativität zu verstehen sei und wie diese durch die jeweils zuständigen Verwaltungen befördert werden könne. »Es wird stets davon ausgegangen, dass ein starker Urheberrechtsschutz als Anreiz dient, neue Werke der Kunst, Musik, Literatur und so weiter zu erschaffen. In Wirklichkeit scheinen Künstler und andere Kulturschaffende aber nur in sehr geringem Maße von diesem gesetzgeberischen Schutz zu profitieren.« (Ebd.) Hingegen sei das System großen Konzernen der Kulturindustrie gegenüber ausgesprochen großzügig.
Viele der Übel, die das Urheberrecht mit sich bringt, haben mit der ökonomischen Globalisierung unter den Vorzeichen des in unseren Gesellschaften fest verankerten Neoliberalismus zu tun. Isolierte Maßnahmen, bei denen nicht zugleich auch die ungleiche ökonomische Machtverteilung angegangen wird, haben also wenig Sinn.
Dies bringt uns zu den eher prinzipiellen Einwänden gegen das Urheberrecht, das Eigentum, die Zensurwirkung und das Urheberpersönlichkeitsrecht. Selbstverständlich kann hier die Messlatte unterschiedlich angelegt werden. Vielfach wird es durchaus als problematisch empfunden, dass künstlerische Ausdrucksformen das Eigentum von Privatpersonen sind, die darauf Monopolrechte geltend machen. Andererseits wird häufig unterstellt, man müsse dieses relative »Übel« für einen begrenzten – aber dann auch wirklich begrenzten – Zeitraum in Kauf nehmen, damit Künstler und die mit ihnen zusammenarbeitenden Unternehmer die Möglichkeit haben, ihre Produkte und Vorstellungen zu Geld zu machen. Im nächsten Kapitel werden wir sehen, wie diese Argumentationslinie genau verläuft und welche Lösungen dabei vorgeschlagen werden.
Wir tun uns ziemlich schwer mit dem Gedanken, dass menschliche Ausdrucksformen, wenn sie künstlerisch gestaltet sind, monopolisiert und privatisiert werden. Außerdem glauben wir, dass diese juristische Einhegung gar nicht nötig ist, damit Künstler ein Einkommen erzielen und Investitionen getätigt werden können. Darum werden wir einige Vorschläge für eine ganz andere ökonomische Strukturierung kultureller Märkte unterbreiten. Auch die Möglichkeit einer begrenzten juristischen Schutzfrist gefällt uns nicht. Es muss möglich sein, ein Werk zu verändern, es zu remixen, kurz: darauf zu reagieren. Und zwar sobald es erschienen ist oder erstmalig zu Gehör gebracht wurde – nicht erst Jahre später, wenn das Urheberrecht abgelaufen ist. Die demokratische Debatte über Kunst muss hier und jetzt stattfinden können, wenn das jeweilige Kunstwerk noch frisch im Bewusstsein ist. Deshalb hat auch das Urheberpersönlichkeitsrecht in unserem Konzept keinen Platz mehr und sollte durch eine andere Regelung ersetzt werden, etwa durch das Instrument des Schadenersatzes für unerlaubte Handlungen. Wenn ihr Werk in inakzeptablen Zusammenhängen eingesetzt wird, sollten Künstler natürlich auch in Zukunft dagegen vorgehen können.
Es ist schon ein komisches Gefühl, dass wir jetzt an einen Scheideweg gelangt sind. Für uns liegen die Gründe, vom Urheberrecht Abschied zu nehmen, klar auf der Hand. Wir können uns aber auch vorstellen, dass andere dieses Instrument womöglich nicht einfach aufgeben, sondern es lieber noch einmal kritisch betrachten möchten. Kann man es nicht vielleicht noch reparieren? Es ist durchaus verständlich, dass diese Frage gestellt wird. Im nächsten Kapitel werden wir uns ihr widmen.
* Die Autoren beziehen sich hier auf die niederländische Regelung zur »onrechtmatige daad«, wörtlich: »unrechtmäßige Handlung«, die der deutschen nicht hundertprozentig entspricht. § 823 BGB umfasst die Verletzung von »absoluten Rechten«. Dazu gehört im deutschen Recht auch das Urheberrecht, da es ein eigentumsähnliches Recht ist. § 823 Abs. 1 BGB kann aber
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