No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
Zweifellos ist das System auch praktisch für Museen und Archive, die ihr kulturelles Erbe einem größeren Publikum zugänglich machen möchten, aber unbedingt vermeiden wollen, dass Dritte es heimlich an sich reißen und behaupten, Urheberrechte daran zu besitzen. Solange es das Urheberrechtssystem noch gibt, sind Creative-Commons-Lizenzen also eine nützliche, ja vorbildliche Lösung. Die Sache hat jedoch auch ein paar Haken.
Zunächst ist anzumerken, dass Creative Commons keine Antwort auf die Frage hat, wie die zahlreichen Künstler, die es weltweit gibt, sowie deren Produzenten und Auftraggeber ein angemessenes Einkommen erzielen sollen. Das ist auch einer unserer Kritikpunkte an Yochai Benklers Buch The wealth of networks. How social production transforms markets and freedom (2006). In Benklers Vorstellung gibt es keinen Markt mehr, und an dessen Stelle treten Netzwerke, marktferne Produktionsformen, weit aufgespannte Kollaborationsprojekte und Formen der Peerproduction von Information, Wissen und Kultur. (Benkler: 1–5) Der Medienwissenschaftler Geert Lovink hat 2008 angemerkt, der Juraprofessor Yochai Benkler hätte sein Buch nicht Der Reichtum der Netzwerke , sondern Die Armut der Netzwerke nennen sollen, »denn es gibt, zumindest bis heute, kaum Reichtum (in harter Münze), der sich in den Internet-basierten Netzwerken findet und den einzelnen Mitgliedern zugänglich wäre« (Lovink 2008: 302). Auch der Professor für Rechtswissenschaften an der Harvard University und Mitbegründer der Creative-Commons-Initiative Lawrence Lessig steht nicht im Verdacht, sich in seinem 2008 erschienenen Werk Remix (das übrigens tatsächlich ein Remix seiner früheren Arbeiten ist) besonders viel Sorgen um die Einkommensverhältnisse Kreativschaffender zu machen. Tatsächlich müssen wir konstatieren, dass weder er noch Yochai Benkler noch Creative Commons ein ökonomisches Modell entwickelt haben, das Künstler in die Lage versetzen würde, ein Einkommen zu erzielen. Genau darauf käme es aber an.
Ein zweiter Einwand gegen den Creative-Commons-Ansatz lautet, dass dabei das Urheberrechtssystem nicht grundsätzlich infrage gestellt wird. Wie man es auch kehren und wenden mag, die CreativeCommons-Lizenzen belassen dem Autor sein Eigentum am Werk ebenso wie eine gewisse Kontrolle darüber. Darum ist eigentlich schon der Name Creative Commons falsch gewählt, denn es werden damit gerade keine Gemeingüter, sondern proprietäre Eigentumsgüter geschaffen, mit denen dann, flapsig ausgedrückt, besonders großmütig umgegangen wird.
Ein dritter und ziemlich grundsätzlicher Einwand gegen Creative Commons besteht in der Feststellung, dass es sich um eine »coalition of the willing« handelt. Konzerne, die Eigentumsrechte an einem großen Teil unseres kulturellen Erbes halten, werden schlichtweg nicht mitmachen. Das schmälert den Impact der an und für sich sympathischen Idee der Creative Commons beträchtlich.
Schließlich muss auch festgestellt werden, dass Creative Commons keine angemessene Antwort auf die Kritik am Urheberrecht hat, die wir im vorigen Kapitel dargelegt haben. Vor allem das Eigentum an künstlerischem Material ist für Creative Commons eine heilige Kuh, die nicht geschlachtet werden darf.
Welche Schlussfolgerungen ergeben sich? Alle Versuche, das Urheberrecht an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen, können die grundsätzlichen und praktischen Probleme, die wir im ersten Kapitel formuliert haben, offenbar nur unzureichend lösen. Vielleicht ist das zu bedauern. Aber vielleicht auch nicht. Es gibt nämlich ein besseres Instrument, um sehr vielen Künstlern und ihren Werkmittlern zu einem angemessenen Einkommen zu verhelfen und zugleich sicherzustellen, dass unser an frei zugänglicher künstlerischer Kreativität und an frei nutzbarem Wissen reiches Gemeinwesen nicht privatisiert wird. Dieses Instrument ist der Markt. Unter einer Voraussetzung: Er darf in keiner Weise einseitig beherrscht werden, von nichts und niemandem. Deshalb hat das Urheberrecht dort ebenso wenig Platz wie marktbeherrschende Kultur- und Medienunternehmen.
3.
Gleiche
Rahmenbedingungen
durch Wettbewerbsrecht
Vom Juristischen zum Ökonomischen
Es wird Zeit, dass wir die Aufmerksamkeit vom Juristischen abwenden und uns dem Terrain der Ökonomie widmen. Wir lassen also das Urheberrecht hinter uns und überlegen, ob ein Markt denkbar ist, auf dem man diese Art von Schutz nicht benötigt.
Zunächst stellt sich
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