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No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

Titel: No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke van Schindel , Joost Smiers
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das Original erhält. Und kann es nicht als großer Segen für die Menschheit betrachtet werden, wenn jemand eines der Sonnenblumen-Bilder von Vincent van Gogh so meisterlich nachahmen kann, dass man den Unterschied kaum bemerkt? Dann gibt es fortan nicht mehr nur das eine Bild, sondern zwei. Ein so großartiges Werk kann man gar nicht oft genug kopieren.
    Nicht in unserem Sinne wäre es allerdings, mit einer Imitation vorzutäuschen, es handle sich um das Werk eines bestimmten Künstlers, obwohl das gar nicht der Fall ist. Angenommen, jemand malt zum Beispiel ein Gemälde, das an Arbeiten von Paul Klee erinnert, obwohl Klee selbst das konkrete Motiv tatsächlich nie gemalt hat. Dann müsste angegeben werden, dass das Bild zwar auf Arbeiten von Paul Klee basiert, faktisch jedoch nie in der Form von ihm gemalt wurde. Sich an diese Grundregel nicht zu halten, würde aus unserer Sicht heißen, eine unerlaubte Handlung zu begehen. Es wäre interessant zu sehen, ob ein Richter genauso denken würde.
    Bedenkenswert ist ferner, wie es zu beurteilen wäre, wenn ein vorbestehendes Werk der bildenden Kunst im Rahmen der Neuschöpfung tatsächlich Schaden erleidet. Ein konkretes Beispiel mag dies verdeutlichen. Am 19. Juli 2007 drückte die Künstlerin Rindy Sam in der Collection Lambert in Avignon einen Kuss auf ein fast rein weißes Gemälde von Cy Twombly. Nicht ganz zufällig trug sie dabei knallroten Lippenstift, dessen Abdruck das weiße Gemälde nachhaltig veränderte. Ihre erste Erklärung lautete, es sei eine Tat der Liebe gewesen: Das Gemälde habe geradezu danach geschrieen, fertig gemacht zu werden (in Le Monde , 28. Juli 2007). Wie kreativ und inspirierend man solche Aktionen auch finden mag – es ändert nichts daran, dass das betroffene Gemälde dabei nachhaltig beschädigt wird und womöglich nie wieder vollständig restauriert werden kann.
    Wer einen Text oder eine Melodie verändert, macht das ursprüngliche Werk nicht kaputt. Bei etwas Einmaligem wie einem Gemälde sieht das anders aus. Wenn jemand meint, dieses sei unfertig und müsse beispielsweise durch einen roten Kussmund ergänzt werden, so sollte er unseres Erachtens lieber selbst zum Pinsel greifen und das Bild nachmalen, inklusive Verzierung. Er oder sie kann dann angeben, dass die Kreation zum Beispiel auf einem Gemälde von Cy Twombly basiert.
    Last, but not least: Was ist von Reproduktionen eines Werks der bildenden Kunst in Postkartengröße zu halten? Nach der Abschaffung des Urheberrechts stünde dem eigentlich nichts mehr entgegen. Allerdings muss auch hier wieder bedacht werden, dass der Unternehmer, der ein solches Projekt anginge, unter den von uns aufgestellten Bedingungen keine den Markt beherrschende Partei wäre. Zudem wüsste er, dass viele andere ebenfalls solche Reproduktionen herstellen und verkaufen könnten. Nicht zuletzt wäre es gute Sitte, den Künstler zu bezahlen, zumindest eine gewisse Zeit lang. Dies wäre im allgemeinen Bewusstsein so stark verankert, dass man nicht ohne Beschädigung des eigenen Rufs darauf verzichten könnte. Noch ist das schwer vorstellbar, aber wer weiß, wie sich das allgemeine Empfinden ändert, wenn die juristischen Zwangsinstrumente nicht mehr zur Verfügung stehen?
    Anhand kurzer Fallstudien haben wir in diesem Kapitel skizziert, wie die kulturellen Märkte in einer Welt funktionieren würden, in der Urheberrecht und Marktbeherrschung der Vergangenheit angehören. Es ist ein erster Ansatz, der natürlich weiter ausgearbeitet werden müsste. Nicht zuletzt müsste anhand einer quantitativ ausgerichteten ökonomischen Untersuchung eine Voraussage darüber getroffen werden, wie die Märkte sich nach dem hier skizzierten Paradigmenwechsel mutmaßlich entwickeln werden.
    Eines darf man indes nicht vergessen: Der wichtigste Paradigmenwechsel ist längst vollzogen, und zwar unwiderruflich: die Digitalisierung. Was immer man von ihr halten mag, die Umstände der Produktion, des Vertriebs und der Rezeption kultureller Güter haben sich bereits nachhaltig verändert und werden dies weiter tun. Jetzt kommt es darauf an, diese Veränderungen selbst mitzugestalten.

 
     
    5.
    Patente, Medikamente
und Trademarks –
Wie es weitergeht

Wachsende Zweifel
     
    Unsere Überlegungen, das Urheberrecht abzuschaffen und zu verhindern, dass einzelne Unternehmen im Bereich Kunst und Kultur eine marktbeherrschende Stellung erlangen können, haben sich über längere Zeit hinweg entwickelt. Für einen von uns, Joost

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