No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
Zwischendurch würden die einzelnen Labore ihre Daten austauschen. Sämtliches Wissen, das im Zuge dieser Arbeit generiert würde, stünde einem jeden Glied der Gesellschaft frei zur Verfügung. Schließlich ist die Forschung von der Gemeinschaft bezahlt worden. Das von uns vorgeschlagene System wäre nicht nur gerechter, sondern auch viel effizienter als das derzeitige. Denn sämtliches Wissen über Krankheiten und ihre Genesung könnte optimal angewandt werden. Auch bei Krankheiten, die vor allem in den ärmeren Ländern vorkommen und bislang viel zu wenig erforscht werden. Außerdem könnten in jenen Teilen der Welt die Arzneimittelpreise beträchtlich sinken. Das Ganze müsste natürlich international koordiniert werden, wobei die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine entscheidende Rolle spielen könnte.
Natürlich hat unser Vorschlag verschiedene Haken. Es muss noch viel nachgedacht werden. Aber vielleicht fordern die Ansätze, die wir hier vorgestellt haben, ein solches Weiterdenken ja heraus. Es wäre schon viel gewonnen, wenn man nicht mehr wie selbstverständlich davon ausginge, dass unser Gesundheitswesen bei der Pharmaindustrie in bestmöglichen Händen ist. Wenn man also bereit wäre, sich Alternativen überhaupt vorzustellen.
Es gibt noch einen guten Grund, endlich Schluss zu machen mit Patenten auf Arzneimittel, für die wir alle einen hohen Preis zahlen. So sonderbar es klingen mag: Patentierte Arzneimittel werden im großen Stil gefälscht. Der Anreiz dazu ist beträchtlich, weil bei geringem Risiko hohe Gewinne zu erzielen sind. In vielen Ländern bleiben Fabriken, die illegale Arzneimittel herstellen, unentdeckt. Mitunter liefern sie Politikern, Beamten und Polizisten einen hübschen Nebenverdienst. Es liegt auf der Hand, dass diese illegale Produktion für das Gesundheitswesen ausgesprochen schädlich ist. Bestenfalls haben die meist über das Internet oder andere dunkle Kanäle gekauften Arzneimittel einfach keine Wirkung. Oft sind sie schlichtweg gefährlich, aufgrund ihrer Zusammensetzung oder weil sie ohne medizinische Diagnose eingenommen werden. Im Jahr 2010 wurden nach Schätzungen etwa 75 Milliarden Dollar bei diesem illegalen Handel umgesetzt. (Vgl. auch Pugatch 2007: 98 f.)
Die International Herald Tribune berichtet, dass zum Beispiel in Südostasien 53 Prozent der Gegenmittel für Malaria gefälscht waren: »Schätzungen zufolge kommen jährlich mindestens 10 000 Menschen durch solche Fälschungen zu Tode, vielleicht auch 100–200 000 oder gar mehr.« Die meisten Fälschungen kommen aus China. »Das Problem ist so massiv, dass man es mit rechtlichen Mitteln allein nicht wird aufhalten können«, sagt David Fernyhough, Experte für Produktfälschungen bei Hill & Associates, einem Risikomanagement-Unternehmen, das auch ein Büro in Hong-Kong hat. »Die Vertriebsnetze erinnern stark an die alten Netzwerke des Heroin-Handels.«
Es gibt zwei Möglichkeiten, dieser massiven Bedrohung unseres Gesundheitswesens zu begegnen. Entweder man rottet das Übel mit Haut und Haar aus – das wird wahrscheinlich nicht möglich sein –, oder aber man entzieht diesem illegalen Handel sein Gewinnpotenzial. Wenn unser Vorschlag umgesetzt wird und es keine Patente mehr gibt, kostet die Medizin in der Apotheke genauso viel wie ihre Herstellung. Potenziellen Fälschern ist damit der Spaß verdorben. Es ist kein (illegaler) Profit mehr herauszuschlagen. Der ist sozusagen dahingeschmolzen. Arzneimittel unterhalb ihres Herstellungswerts zu verkaufen, ist keine Option. Die überraschende Schlussfolgerung lautet, dass die Abschaffung des Patentsystems für unser Gesundheitswesen sogar ein doppelter Segen wäre.
Trademarks: trust me ... but, why should we?
Sind unsere bisherigen Analysen zu Rechten des geistigen Eigentums und Marktdominanz auch für Markenrechte relevant? Es gibt durchaus Anlass, den Sinn von Trademarks anzuzweifeln. Heutzutage machen wir unser Urteil über ein Produkt oft stark vom Markenzeichen des Anbieters abhängig. Ein bisschen mehr eigenständiges Denken würde uns sicher guttun, uns kritischer machen, sodass wir das jeweilige Produkt mehr danach beurteilen würden, was es tatsächlich zu bieten hat, wie es gemacht ist und auf welchem Weg es zu uns gelangt. Unsere Logo-Abhängigkeit müsste zugunsten eines eigenen, auf Erfahrungen basierenden Urteils zurückgeschraubt werden. Ist das aber Grund genug, auch das System der Markenrechte abzuschaffen?
Auch Markenrechte gehören zu den
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