No Sex in the City
verschiedene geschwätzige E-Mails von Clara bekommen, aber sie hatte sie Louise nicht gezeigt. Das wäre wohl kaum eine große Hilfe gewesen. Sie hatte einen kurzen, sachlichen Glückwunsch gemailt und ihrer Mutter telefonisch versichert, dass sie Max sehr gut kannte (was ja auch stimmte) und dass die Krankenhäuser in Indien erstklassig waren (zumindest das, für das sie bezahlen würde, damit man Clara dort nahm, dazu war sie fest entschlossen).
Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass Louise in eine Stadt zurückkam, wo die Geister auf sie lauerten, und heute Morgen war es wirklich trostlos hier.
Daher freute sich Katie besonders, als sie den Fahrer und eine sehr junge Blondine sah, die am Flughafen ein Schild für sie hochhielt.
»Hallo!«, sagte sie und stellte sie alle vor.
»Hi, toll, euch zu sehen!«, sagte das Mädchen mechanisch. Katie nahm an, dass sie ihr Leben damit zubrachte, unbezahlt Leute vom Flughafen abzuholen, und bemühte sich um Freundlichkeit. Harry aber war total aus dem Häuschen.
»Du arbeitest also beim Fernsehen?«, fragte er. »Ist das nicht wahnsinnig aufregend?«
»Klar«, sagte das Mädchen, das Hortense hieß und also noch keine zwanzig war, denn Katie konnte die Generationen der Mauds und Stanleys und Hepzibahs an ihren schwachsinnigen Retronamen erkennen. »Es ist wahnsinnig aufregend.« Sie stopfte eine Handvoll Münzen in den Parkautomaten. »Sechster Stock, der Fahrstuhl geht nicht, tut mir leid.«
»Wo wohnen wir?«, fragte Katie. Sie hoffte auf etwas Ansprechendes, das Marriott zum Beispiel. Das Savoy würde es wohl sowieso nicht sein.
Das Mädchen sah sie gelangweilt an. »Er wohnt im Thistle«, sagte sie. »Wir dachten, Ihre PR-Agentur ist in London .«
»Nun, das stimmt schon ...«, sagte Katie. Natürlich wollte sie auch nach Hause fahren, aber sie hatte dennoch gehofft, dass sie in den Genuss von flauschigen Bademänteln und Zimmerservice kommen würde. Man durfte nicht vergessen, dass sie schon lange kein eigenes Zimmer mehr hatte, und da hätte sie ein paar Annehmlichkeiten durchaus verdient.
Louise starrte immer noch aus dem Fenster. Katie berührte sanft ihr Knie, bekam aber keine Reaktion.
»Hahaha«, sagte Harry. »Ich wohne im Hotel.«
»Ja, das wirst du auch brauchen, wenn nach der Sendung all die Groupies anmarschiert kommen«, gab Katie zurück. Harry wurde sofort rot und hustete.
»Ihr seid also die Geschwister, die für ihre Mutter das Baby austragen wollen?«, fragte Hortense gelangweilt.
Harry und Katie sahen sich an.
»Sind wir das?«, fragte Harry.
»Nein«, sagte Katie. »Er ist der Mann aus der Stadt, wo es nur Männer gibt.«
»Er sieht gar nicht schwul aus.«
Sie kamen im Schneckentempo voran und standen mehr, als dass sie fuhren, schließlich hielten sie wieder einmal an einer Ampel. Sofort kam eine Frau mit Kind auf dem Arm, klopfte an die Scheibe und bat um Geld. Hortense, der Fahrer und Katie ignorierten sie gewohnheitsmäßig. Harry fand das offensichtlich empörend.
»Die Stadt, wo keine Frauen leben. Wo man versucht, die Bäume zu retten!«
»Ach ja!«, sagte das Mädchen. Sie blickte Harry jetzt genauer an. »Stimmt das? Da gibt es keine Frauen?«
»Nicht viele«, sagte Harry und wurde wieder rot. »Da arbeiten fast nur Männer.«
»Wow!«, sagte Hortense. »Nun, hier gibt es keine Männer. Sind sie alle Singles?«
Harry nickte.
»Wow! Werden da oben viele TV-Shows produziert?«
»Nicht direkt, nein.«
»Schade«, sagte das Mädchen. Dann sah sie ihn wieder an, und ihr leicht hungriger Gesichtsausdruck ärgerte Katie aus irgendeinem Grund. Wenn man Harry objektiv betrachtete, konnte er mit seinem dichten schwarzen Haar und der spöttischen Miene durchaus Eindruck bei Frauen schinden - nun, vor einigen Monaten wäre sie selbst ein leichtes Opfer gewesen. Bevor sie ihn kennengelernt hatte, natürlich nur. Und bevor sie Iain getroffen hatte ...
»Und es sind alles so scharfe Bauerntypen?«
»Eigentlich wurden wir in die Show eingeladen, um den Bau eines Golfplatzes zu verhindern«, sagte Katie beflissen. »Hast du die Unterlagen?« Und sie gab dem Mädchen eine Mappe, die sie in mühevoller Kleinarbeit zusammengestellt hatte: Fakten, Informationen über die Wildbestände, die Umweltschäden, die durch einen Schwung neuer Gebäude entstehen würden, den mangelnden Bedarf an Golfplätzen in der Region.
»Ja«, sagte Hortense und reichte ihr eigenes Infoblatt rüber. Unter der Rubrik »Heathrow Abholservice« stand:
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