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no_way_out (German Edition)

no_way_out (German Edition)

Titel: no_way_out (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Gabathuler
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anschaust, knalle ich dir meine Stirn gegen die Nase«, drohte sie.
    Ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie es tun würde. Also öffnete ich meine Augen.
    Sie sah entsetzlich aus. Die Wespen hatten sie erwischt. Im Gesicht, im Ausschnitt, an den Armen, überall, wo kein Stoff ihre Haut geschützt hatte. Sie musste versucht haben, sich im Fluss zu kühlen, aber ihre Haut schien trotzdem zu glühen.
    »Ich weiß nicht, wie viele Stiche ein Mensch erträgt«, sagte sie viel zu ruhig. »Ich sehe beinahe nichts mehr. Du musst was tun!« Sie ließ meine Arme los, glitt langsam von mir und blieb neben mir liegen.
    Um mich drehte sich alles, und einen Augenblick wusste ich nicht, ob sich der Riss in der Zeit geschlossen hatte und ich gleich in einem Straßengraben neben einem schwarzen Luxusschlitten erwachen würde. Jemand gab Laute wie ein verletztes Tier von sich. Aber ich war es nicht. Es war Edy, von Wespen zerstochen, verquollen und halb blind, und wir waren mitten im Nirgendwo, weit weg von einem Arzt, der helfen konnte. Ich war Edys einzige Chance.
    »Gibt’s im Wagen ein Erste-Hilfe-Set?«, fragte ich.
    »Kofferraum.«
    Ihre Augen schwollen von Sekunde zu Sekunde mehr zu. Ihre Zähne schlugen aufeinander. Sie versuchte, sich unter Kontrolle zu bekommen, und biss sich dabei die Lippen blutig. Sie musste brennen und gleichzeitig erfrieren, so wie sie zitterte.
    »Ich hole es«, quetschte ich durch das bisschen Kehlenöffnung, das mir die Angst noch ließ.
    Edy packte meinen Arm und krallte sich daran fest.
    »Ich komme zurück«, flüsterte ich.
    Ihre Finger lösten sich. Aus ihrem Mund drang ein seltsames Geräusch. Etwas zwischen Lachen und Weinen. Sie glaubte mir nicht. Wie auch? Nach allem, was ich getan hatte.
    Ich zwang mich hoch und lief los. Selbst Frankenstein hätte meinen Gang seltsam gefunden, aber das war nicht wichtig. Wichtig war, dass ich gehen konnte und es bis zum Fluss schaffte. Der Wagen war nicht weitergerutscht, der Kofferraum stand immer noch weit offen. An der Rückwand hing in einer Art Korbnetz ein Erste-Hilfe-Set.
    Eins nach dem anderen , sagte Smiley. Genau das tat ich. Ich fischte das Set aus dem Netz, zog mein T-Shirt aus, tauchte es ins Wasser, watete ans Ufer, suchte die Klamotten zusammen, stopfte sie in die Tasche und packte Smileys Tüte obendrauf. Die Angst um Edy setzte eine ungeheure Energie in mir frei. Ich schleppte das ganze Zeug zurück zu der Stelle, an der ich Edy liegen gelassen hatte. Sie lag immer noch reglos auf dem Boden.
    »Ich bin wieder da«, sagte ich. »Hörst du mich?«
    Sie nickte schwach.
    Ich stellte die Sachen hin, öffnete meine Tasche, zog das Sweatshirt heraus und knüllte es zu so was wie einem Kissen zusammen.
    Fass mich nicht an!
    »Es tut … Ich … Ich fass dich jetzt schnell an«, sagte ich leise. Keine Ahnung, wieso. Oder doch, eigentlich schon. Ich hatte eine Grenze überschritten, vorhin auf der Felsplatte. Das wollte ich nie wieder tun.
    Sie stöhnte.
    Ich wusste nicht, ob das ein Ja oder ein Nein bedeutete, ich wusste nur, dass ich etwas tun musste. Irgendwas. Also hob ich vorsichtig ihren Kopf und schob das Sweatshirt darunter. Sie wehrte sich nicht. Ein Zeichen , hätte Smiley gesagt. Ich fasste es als Aufforderung auf, weiterzumachen, und legte ihr mein triefend nasses T-Shirt über den Oberkörper und die Arme.
    Bevor ich das Erste-Hilfe-Set in Angriff nahm, öffnete ich die Flasche mit Smileys Spezialtrank und hielt sie an Edys geschwollene Lippen. Die Flüssigkeit kam im hohen Bogen wieder herausgeschossen, mitten in mein Gesicht. Ich dachte, das sei ihre Art, mich zu bestrafen und wischte mir das Zeug weg, doch dann sah ich, wie sie würgte.
    »Hast du Stiche im Mund?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Mir fiel meine erste Reaktion auf Smileys Trank ein. »Es schmeckt zum Kotzen«, sagte ich. »Aber es hilft, glaub mir.«
    »Gib«, flüsterte sie, oder zumindest etwas, das ähnlich klang.
    Ich hielt ihr die Flasche erneut an die Lippen. Sie trank fast alles aus. Es schien wirklich zu helfen, denn während ich das Erste-Hilfe-Set öffnete und nach etwas Brauchbarem suchte, entspannte sie sich ein wenig.
    Verbandszeug und Pflaster brauchte ich nicht. Ich fand eine Salbe, die gegen Insektenstiche und Sonnenbrand half, bezweifelte aber, dass das genügen würde. Es gab alles in diesem Set, Desinfektionsmittel, Sicherheitsnadeln für die Verbände, Wundsalben und jede Menge Tabletten. Viel mehr, als zu der Grundausstattung

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